Trotz der öffentlichen Diskussion zum Thema wurde die Frage nach einem verbindlichen Anspruch der Beschäftigten auf einen häuslichen Arbeitsplatz auch mit Inkrafttreten der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) und Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz noch immer nicht eindeutig geklärt. Auch die Beteiligungsrechte des Betriebsrats werden in dem Regelwerk nicht erwähnt. Dafür steht nun fest: Der Arbeitgeber muss geeignete Masken und Tests bereitstellen, wenn das Personal nicht zu Hause arbeiten kann oder darf. Die Auswirkungen der neuen Rechtslage im Einzelnen:
Home-Office
Nach der zunächst bis Ende Juni 2021 geltenden Verordnung hat der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nun anzubieten, Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeiten in der „eigenen Wohnung“ zu erbringen – allerdings nur, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Zudem haben Beschäftigte laut einer Novelle des Infektionsschutzgesetzes künftig „dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“.
Der Arbeitgeber ist also auch in der aktuellen Pandemiesituation nicht immer verpflichtet, möglichst viele Tätigkeiten ins Home-Office zu verlagern, wie auch die Beschäftigten keinen automatisch durchsetzbaren Anspruch haben. Stattdessen kann der Arbeitgeber zuerst entscheiden, ob die betrieblichen Abläufe eine Umorganisation aus seiner Sicht überhaupt zulassen und muss zusätzlich die Zustimmung der Mitarbeiter einholen. Diese wiederum können Arbeiten im Home-Office ablehnen und dürfen dafür auch nicht in irgendeiner Weise sanktioniert werden. Somit wird man bei einer Annahme des Angebots durch die Mitarbeiter auch nicht von einer zustimmungspflichtigen Versetzung ausgehen können. Deshalb wird der Betriebsrat in derlei Fällen wohl nicht zwangsweise zu beteiligen sein.
Anders verhält es sich jedoch, wenn betriebliche ‚Spielregeln‘ für Arbeiten im Home-Office aufgestellt werden sollen und z.B. die „zwingenden betriebsbedingten Gründe“ und damit die Arbeitsplätze, die nicht ins Home-Office verlagert werden können, näher definiert werden. Auch wenn eine Art ‚rollierendes System‘ eingeführt wird, um Mitarbeiter nach einem festen Plan abwechselnd ins Home-Office zu versetzen und weiterhin festgelegt wird, welcher Arbeitsplatz vor Ort im Betrieb zu welchen Zeiten besetzt zu sein hat, sollte nicht nur eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, sondern es besteht in jedem Fall ein zwingendes Mitbestimmungsrecht.
Unabhängig davon ist es sinnvoll, den Betriebsrat mit ins Boot zu holen und eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, wenn verstärkt auf Home-Office Tätigkeiten umgestellt wird – ob nun aufgrund der aktuellen Corona-Arbeitsschutzverordnung oder aus anderen Gründen. Darin können alle immer wieder auftauchenden und klärungsbedürftigen Aspekte verbindlich geregelt werden, wie z.B.
- Versicherungsschutz im Home-Office
- Erreichbarkeit der Mitarbeiter
- Kontrolle der Arbeitsergebnisse
- Umgang mit Betriebsmitteln
- etwaige Verpflichtung zur Nutzung eigener Hardware
- Datenschutz
- Anwesenheit im Betrieb in besonderen Fällen
- Kosten der Tätigkeit im Home-Office.
Es empfiehlt sich zudem, dass sich die Betriebsparteien dabei weniger an den befristeten Corona-Vorgaben orientieren, sondern sich davon leiten lassen, dass der Weg der Beschäftigten ins Home-Office auch nach dem Ende der Pandemie vielfach kaum noch aufzuhalten sein wird.
Führt der Arbeitgeber zusätzlich oder anstelle von Home-Office für betriebliche Tätigkeiten zeitversetztes Arbeiten oder Tätigkeitsausübung nur noch in bestimmten Arbeitsgruppen ein, ist der Betriebsrat zuvor ebenfalls zu beteiligen.
Praxistipp:
Arbeitnehmer haben übrigens auch dann keinen verbindlichen Anspruch darauf, während der Pandemie im Home-Office zu arbeiten, wenn sie ein ärztliches Attest vorlegen, welches sie als Angehörige einer Corona-Risikogruppe ausweist. Das hat das Arbeitsgericht Augsburg entschieden. Allerdings muss der Arbeitgeber gemäß § 618 BGB „die notwendigen und erforderlichen Schutzmaßnahmen“ ergreifen, um die Arbeit im Betrieb – sofern diese notwendig ist – sicher zu gestalten (ArbG Augsburg, 07.05.2020 – 3 GA 9/20). Das gilt nach der neuen Verordnung nun umso mehr.
Mund-Nasen Schutz im Betrieb
Vor allem wenn sich Personenkontakte im Betrieb nicht vermeiden lassen oder wenn sich aufgrund der Art und Weise der Tätigkeitsauübung der vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern nicht einhalten lässt, ist der Arbeitgeber gem. § 4 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet, allen Beschäftigten auf eigene Kosten medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen und deren Tragen anzuordnen und zu überwachen.
Es handelt sich um eine eindeutige gesetzliche Vorgabe, die dem Arbeitgeber kaum Ermessensspielraum lässt und deshalb auch ohne Beteiligung des Betriebsrats umzusetzen ist. Unabhängig von der aktuellen Schutzverordnung ist die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung im Betrieb durch den Arbeitgeber zur Vermeidung eines Ansteckungsrisikos mit dem SARS-CoV-2-Virus ohnehin zulässig (vgl. ArbG Siegburg, 16.12.2020 – 4 Ga 18/20).
Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört es jetzt, darauf zu achten, dass der Arbeitgeber den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz in ausreichender Menge und auf eigene Kosten zur Verfügung stellt. Aus manchen Branchen hört man bereits, dass die Kosten der Masken den Mitarbeiter vom Lohn abgezogen werden. Dies ist nicht zulässig, worüber der Betriebsrat die Belegschaft informieren sollte. Soweit die Arbeitsgerichte anerkannt haben, dass Mitarbeiter nicht beschäftigt werden müssen, die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ohne sachlichen Grund ablehnen, muss umgekehrt auch gelten, dass Mitarbeiter ohne Lohnabzug die Arbeit verweigern können, wenn der Arbeitgeber entgegen seiner Verpflichtung keine Masken zur Verfügung stellt.
Angebotspflicht für Corona-Tests am Arbeitsplatz
Seit Inkrafttreten der „Zweiten Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ am 20.04. müssen Arbeitgeber in ihren Betrieben allen Beschäftigten, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, regelmäßige Selbst- und Schnelltests anbieten – und zwar „grundsätzlich mindestens einmal pro Woche“. Für besonders gefährdete Beschäftigte, „die tätigkeitsbedingt häufige Kundenkontakte haben oder körpernahe Dienstleistungen ausführen“, muss das Angebot mindestens zweimal pro Woche erfolgen. Gleiches gilt demnach für Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber „in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden“. Die Tests bezahlen muss der Arbeitgeber. Beschäftigte sind den allermeisten Berufen allerdings nicht verpflichtet, sich auch tatsächlich testen zu lassen. Im Gesundheitswesen kann jedoch wegen der Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes u.U. eine faktische Testpflicht bestehen.
Das Bundeskabinett hat unterdessen eine Ausweitung der Angebotspflicht für Coronatests am Arbeitsplatz beschlossen. Demnach müssen Arbeitgeber zweimal pro Woche ein solches Angebot machen. Die Neuregelungen sind in der letzten Aprilwoche in Kraft getreten und in § 5 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung geregelt.
Impfpflicht?
Seit Impfstoffe gegen den SARS-CoV-2-Erreger zur Verfügung stehen, wird immer häufiger die Frage gestellt, ob ein Arbeitgeber von seiner Belegschaft verlangen kann, sich impfen zu lassen oder umgekehrt, ob eine Kündigung zulässig wäre, wenn Mitarbeiter eine Impfung ablehnen.
Die Antwort ist in beiden Fällen gleich: Nein!
Es fehlt dazu schlicht und einfach an einer Rechtsgrundlage. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht nicht. Und das arbeitsrechtliche Direktionsrecht geht nicht so weit, dass eine Anordnung zum Impfen ausgesprochen werden kann – und zwar auch nicht in besonders relevanten oder infektionsrisikoreichen Berufsfeldern.
Zudem schließt das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten jede dahingehende arbeitgeberseitige Anweisung aus – auch wenn dies in der Wirtschaft teilweise anders gesehen wird.
Folglich liegt auch kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vor, wenn Beschäftigte eine Impfung jetzt oder später ablehnen (was sie natürlich auch nicht begründen müssen). Dem Arbeitgeber steht in diesem Fällen entsprechend kein Sanktionsrecht zu. Es wird insofern nicht schaden, wenn der Betriebsrat die Belegschaft an dieser Stelle über die recht eindeutige Rechtslage informiert.
Allerdings wird es zulässig sein, gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung zu schließen, dass Mitarbeiter einen Bonus, Arbeitsfreistellungen oder andere Vergünstigungen erhalten, wenn sie sich impfen lassen. Ähnliche motivierende Regelungen für Mitarbeiter, die aufhören zu Rauchen oder regelmäßig Sport treiben, sind inzwischen üblich und nicht zu beanstanden. Auch Aufklärungskampagnen über die Wirksamkeit einer Impfung sind im Betrieb zulässig, sofern die Teilnahme der Belegschaft freiwillig ist.
Praxistipp:
Ob der Arbeitgeber ein Fragerecht hat und Beschäftigte Auskunft über ihren Impfstatus geben oder ggf. gar einen Impfausweis zeigen lassen müssen, wird in der Zukunft sicher noch intensiv diskutiert werden. Solange allerdings noch nicht abschließend geklärt ist, ob geimpfte Personen andere Menschen anstecken können oder nicht, macht die Frage in der Praxis wenig Sinn – auch nicht in den sog. vulnerablen Berufsfeldern. Denn Firmen müssen zumindest derzeit bei geimpften Mitarbeiter die gleichen Schutz- und Hygienemaßnahmen beachten und einhalten wie bei ungeimpften Kollegen. Betriebsräte sollten sich gleichwohl auf diese Problematik und die kommenden Diskussionen vorbereiten.
Autor
Dirk Lenzing ist als Rechtsanwalt und Referent für arbeitsrechtliche Seminare und Schulungen tätig. Er hält Vorträge zu aktuellen Rechtsfragen bei Unternehmen, Verbänden und Vereinen und schreibt für BetriebsratsPraxis24.de u.a. Beiträge für das Betriebsratslexikon.
www.rechtsanwalt-lenzing.de
Hinweis der Redaktion. Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 01.02.2021 und wurde aufgrund der geänderten Rechtslage angepasst.