Bei personellen Einzelmaßnahmen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Deshalb müssen Arbeitgeber das Gremium vorab ordnungsgemäß – also rechtzeitig und umfassend – informieren und anhören. Ob und wann Informationen zu Vorstrafen eines Arbeitnehmers dabei erforderlich sind, hatte kürzlich das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg zu entscheiden (Az.: 26 TaBV 920/22).

In dem Fall ging es in einem Berufsförderungswerk um die Versetzung eines Arbeitnehmers auf die Stelle eines Bereichsleiters, der u.a. für die Ausbildung angehender Verwaltungsfachangestellter für die Kommunal- und Bundesverwaltung zuständig ist. Dazu hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat Ende März 2022 schriftlich an. Kurz darauf wurde das Gremium aus der Belegschaft mehrfach auf angebliche frühere Straftaten und Verurteilungen des avisierten Bereichsleiters angesprochen. Zudem wandten sich laut LAG insgesamt zwölf Mitarbeiter an die Geschäftsführung und forderten den Arbeitgeber auf, die Personalie „zu überdenken“, da der Mitarbeiter sich in der Vergangenheit der Untreue, Urkundenfälschung sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Versicherung schuldig gemacht habe.

Aus diesem Anlass verlangte der Betriebsrat, das Unternehmen möge ihm eine Übersicht aller Vorstrafen des Mannes zukommen lassen und Einsicht in einen aktuellen Auszug des polizeilichen Führungszeugnisses geben. Das lehnte der Arbeitgeber jedoch ab: Die Informationen seien für eine Entscheidung über die Versetzung nicht relevant, da die Vorkommnisse bereits sehr lange zurücklägen oder nichts mit den fachlichen Anforderungen für die fragliche Stelle zu tun hätten.

Anfang April verweigerte das Gremium dann mit Verweis auf eine ggf. drohende Störung des Betriebsfriedens seine Zustimmung zu der geplanten Versetzung. Die Firma aber besetzte die Stelle dennoch, weshalb die Interessensvertretung der Belegschaft vor Gericht die Rücknahme bzw. Aufhebung der Versetzung beantragte. Ihr Argument: Der Arbeitgeber habe wichtige Informationen zu den Vorstrafen des Mannes verschwiegen, weshalb die Anhörung unvollständig gewesen und die Reaktionsfrist von einer Woche gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gar nicht erst in Gang gesetzt worden sei.

Sowohl das Arbeitsgerichts Neuruppin als auch das LAG sahen das jedoch anders: Der Betriebsrat sei „ausreichend informiert worden“, weshalb seine Zustimmung zu der Versetzung als erteilt gelte, da er diese „nicht fristgerecht verweigert“, sondern erst gut einen Monat später Widerspruch eingelegt habe. Deshalb greife die sog. Zustimmungsfiktion gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG.

Grund für Information zu Vorstrafen nötig

Zwar müsse ein Arbeitgeber dem Betriebsrat bei geplanten Personalmaßnahmen in bestimmten Fällen tatsächlich Auskünfte zu ihm bekannten Vorstrafen liefern, so die Kammer. Das gelte aber nur dann, „wenn sich aus ihnen Rückschlüsse auf die fachliche Eignung (zB Verkehrsdelikte von Kraftfahrern) oder eine mögliche Gefährdung des Betriebsfriedens (§ 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG) ziehen lassen“. Umgekehrt gebe es keine Informationspflicht, „wenn die Vorstrafen sich nicht auf einen Umstand beziehen, der eine Zustimmungsverweigerung rechtfertigen kann“. Das sei hier der Fall.

Maßstab sind dabei nach Auffassung der Richter die Kriterien, die für das „Fragerecht beim Einstellungsvorgang“ gelten. Erfragt – und ggf. dem zur Verschwiegenheit verpflichteten Betriebsrat mitzuteilen – dürften nur Angaben, die „Auswirkungen auf die Tätigkeit des Betreffenden im Betrieb haben können“. Nach Vorstrafen dürfe ein Arbeitgeber insofern „also nur fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies ‚erfordert‘, d.h. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt“. Beispiele seien Vermögensdelikte bei Bankkassierern oder Sittlichkeitsstraftaten bei Beschäftigten in der Kinder- und Jugendbetreuung.

Insgesamt waren hier „die nicht mitgeteilten Straftaten des Arbeitnehmers weder in Bezug auf seine Eignung noch in Bezug auf den Betriebsfrieden von Belang“. Daher bleibe es bei der Versetzung.

Beschluss des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 04.05.2023 (Az.: 26 TaBV 920/22).

Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 27.06.2022 (Az.: 5 BV 4/22).

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