Darf ein Arbeitgeber den Einsatz der Corona-Warn-App anordnen? Betriebsräte finden hier Infos zum Thema

Die Entwicklung hat ein wenig länger gedauert als geplant, aber inzwischen ist die im Auftrag der Bundesregierung entwickelte Corona-Warn-App für bestimmte Mobiltelefone verfügbar und wurde bereits über 10 Millionen Mal heruntergeladen. Die Anwendung soll helfen, Infektionsketten automatisiert und schnell nachzuvollziehen und so weitere Ansteckungen zu verhindern. Konkret soll das Programm einen warnen, wenn man mit einer positiv auf Covid-19 getesteten Personen in Kontakt gekommen ist.

Vereinfacht dargestellt basiert die Corona-Tracing-App auf dem regelmäßigen Datenaustausch über die Bluetooth-Schnittstelle von Smartphones, die sich in gegenseitiger Reichweite befinden. Laut Bundesregierung „merken“ sich die Geräte dabei Begegnungen und tauschen „untereinander Zufallscodes aus“. Sobald ein Nutzer in der App vermerkt, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, werden alle Kontaktpersonen über die App darüber informiert, wann, wie lange und in welcher Entfernung sie in den zurückliegenden 14 Tagen Kontakt zu der infizierten Person hatten.

Persönliche Daten wie Namen, Adressen und Aufenthaltsorte des Infizierten und der Kontaktperson sollen durch die App ausdrücklich nicht erfasst werden. Nach dem Kontakthinweis durch die App sollten sich die Betroffenen mit den Gesundheitsbehörden in Verbindung setzen und weitere Entscheidungen treffen, z.B. einen Test durchführen zu lassen oder sich erforderlichenfalls in häusliche Quarantäne begeben. Im Arbeitsverhältnis stellen sich deshalb zwei Fragen:- Darf ein Arbeitgeber die Nutzung der Corona-Warn-App der Belegschaft anordnen?- Welche Aufgaben hat der Betriebsrat in diesem Zusammenhang?

Anordnungsrecht des Arbeitgebers

Nach den Vorgaben der Bundesregierung erfolgt die Installation und Nutzung der App ausschließlich auf freiwilliger Basis. Der gläserne Mitarbeiter, so heißt es, soll unter dem Deckmäntelchen des Gesundheitsschutzes durch die App ausdrücklich nicht geschaffen werden. Dennoch wird befürchtet, dass manche Arbeitgeber Ihren Mitarbeitern die Nutzung der App vorschreiben (wollen). Somit stellt sich die Frage, ob eine solche Anordnung zulässig ist und wie Betriebsräte sich in einem solchen Fall verhalten sollten. Dabei muss unterschieden werden, ob die App auf einem dienstlichen oder privaten Smartphone genutzt werden soll.

Dienstliches Mobiltelefon

Smartphones, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt, sind zunächst einmal Betriebsmittel. Folglich spricht der Arbeitgeber auch bei der Ausstattung der Telefone im Rahmen seines Direktionsrechts ganz entscheidend mit. Ob er allerdings auch die Anweisung erteilen kann, eine bestimmte App herunterzuladen und diese vor allem dann auch zu nutzen, ist eine ganz andere Frage. Mit ihr müssen sich womöglich demnächst erste Arbeitsgerichte befassen. Sicher ist jedoch, dass einseitige Anordnungen zur Nutzung der Corona-Warn-App – falls überhaupt –  nur eingeschränkt und unter der Voraussetzung erfolgen dürfte, dass besonders schützenswerte betriebliche Interessen vorliegen müssen. Dies kann z.B. im Gesundheitswesen oder im Pflegebereich der Fall sein. Unverhältnismäßige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Mitarbeiter sind dagegen nicht zulässig. Somit wäre es beispielsweise sehr fraglich, ob von Mitarbeitern im Home-Office die Nutzung der App verlangt werden kann. Im Falle einer einseitigen Anordnung des Arbeitgebers zur Nutzung der App auf Diensttelefonen wird der Betriebsrat im Regelfall eine Unterlassung einfordern können.

Private Smartphones

Unbestritten dürfte sein, dass Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern nicht verlangen können, die Corona-App auf ihrem privaten Smartphone zu installieren oder zu nutzen. Auf Geräte, die im Eigentum der Mitarbeiter stehen, hat der Arbeitgeber keinen Zugriff und seine Anordnungsbefugnis endet in diesem Fall nach Dienstschluss.

Mitbestimmungsrecht / Betriebsvereinbarung

Eine Anordnung zur Installation und Nutzung der Corona-Tracing-App auf dem dienstlichen Smartphone kann der Arbeitgeber gegenüber der Belegschaft nicht einseitig vorgegeben. Vor der verbindlichen Anordnung zur Nutzung der App ist grundsätzlich das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ergeben sich wegen eines Eingriffs in das Verhalten der Arbeitnehmer und weil die Nutzung der App eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes darstellt. Somit bestehen zwingende Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Nr.1 und Nr. 7 BetrVG. Denkbar ist zwar auch ein Mitbestimmungsrecht aufgrund der Einführung einer technischen Maßnahme zur Mitarbeiterkontrolle gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, jedoch dürfte die technische Konstruktion der App, die eine Überwachung ja gerade ausschließen soll, eher gegen ein Mitbestimmungsrecht unter diesem Gesichtspunkt sprechen.

Vor einer umfassenden Anordnung zur Installation und Nutzung der App durch den Arbeitgeber wird deshalb eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abzuschließen sein.

Im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss der Betriebsvereinbarung sollte der Betriebsrat insbesondere darauf achten, dass dem Arbeitgeber keine Möglichkeit der Einsichtnahme in die Daten der App (zum Beispiel durch einen Remotezugriff auf das dienstliche Smartphone oder durch Auslesen der Bluetooth-Daten) gestattet wird. Auch IDs von infizierten Personen sollten geschützt werden.

Zudem sollte geregelt werden, ob und für welchen Zeitraum Arbeitnehmer im Fall des Kontakts zu einer infizierten Person beispielsweise im Home-Office arbeiten müssen oder freigestellt werden.

Ebenso sollten sämtliche datenschutzrechtlichen Aspekte in der Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden. Der Betriebsrat ist berechtigt, bei der Bearbeitung dieser bislang unbekannten Problemfelder den Rat von sachverständigen Experten gem. § 80 Abs. 3 BetrVG hinzu zu ziehen. Hierzu bedarf es laut Gesetz allerdings einer „Vereinbarung mit dem Arbeitgeber“, d.h. eine Kostenübernahme kann nicht einfach voraussetzt werden.

Weitere Anordnungen

Selbst wenn der Arbeitgeber zur Anordnung der Nutzung der Corona-App auf dem dienstlichen Smartphone berechtigt ist, stehen ihm weitere Anordnungsbefugnisse oder Kontrollrechte kaum zu. Insbesondere wird es – von wenigen Ausnahmefällen in besonderen Berufsfeldern abgesehen – nicht zulässig sein, von Mitarbeitern nach Dienstschluss zu verlangen, das Diensttelefon bei sich zu führen und die App in ihrer Freizeit zu nutzen. Die Corona-Pandemie ändert nichts daran, dass jeder Mitarbeiter nach Dienstschluss sein berufliches Telefon ausschalten kann.

Mitteilungspflichten

Von hoher praktischer Bedeutung ist, ob Arbeitnehmer meldepflichtig sind, wenn über die App ein Kontakt mit einer infizierten Person anzeigt wird. Zunächst können sich Mitteilungspflichten aus arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ergeben, insbesondere zum Schutz von Kollegen und Kunden. Weiterhin könnte in Anlehnung an die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes angenommen werden, dass der betroffene Arbeitnehmer verpflichtet sein können, das Bestehen einer unmittelbaren erheblichen Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit der übrigen Arbeitnehmer mitzuteilen. Allerdings ist mehr als fraglich, ob eine unspezifische Warnung durch die Corona-App bereits eine solche Gefahr begründet. Auch an dieser Stelle werden die Arbeitsgerichte Klarheit schaffen müssen.

Praxistipp:

Wer von der App einen Hinweis erhält, dass ein „erhöhtes Risiko“ (einer Ansteckung) bestehe, ist deswegen auch nicht automatisch arbeitsunfähig oder krankgeschrieben. Laut Bundesregierung zeigt die Meldung erst einmal „dass aufgrund der Nähe und der Dauer einer Begegnung mit einer Person, die über die App ein positives Testergebnis gemeldet hat, ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht“. Betroffene sollten in diesem Fall den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (Freecall-Nr.: 116 117) oder das örtliche Gesundheitsamt kontaktieren.

Fazit

Es dürfte deshalb sinnvoll sein, in einer Betriebsvereinbarung eindeutig zu regeln, wann und in welchem Umfang Mitarbeiter, die eine Warnmeldung erhalten, den Arbeitgeber, der ja keine Mitteilung über die App erhält, zu informieren haben.

Rechtsanwalt Dirk LenzingAutor
Dirk Lenzing ist als Rechtsanwalt und Referent für arbeitsrechtliche Seminare und Schulungen tätig. Er hält Vorträge zu aktuellen Rechtsfragen bei Unternehmen, Verbänden und Vereinen und schreibt für BetriebsratsPraxis24.de u.a. Beiträge für das Betriebsratslexikon.
www.rechtsanwalt-lenzing.de

Hinweis der Redaktion:

Zum Thema Corona-Warn-App kursieren ebenso wie zum Erreger Covid-19 selbst allerlei Irrtümer, Halbwahrheiten und auch Fake-News. Wer als Betriebsrat hier Argumentationshilfe sucht, sei auf folgende Ressourcen verwiesen:

Aktuelle Beiträge