Ist einem Arbeitgeber bekannt, dass ein auf Zeit eingestellter Arbeitnehmer während der gesamten Vertragsdauer arbeitsunfähig sein wird, so darf er die Befristung nicht mit dem Sachgrund der Vertretung rechtfertigen. Tut er das dennoch, muss er den Mitarbeiter laut Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen u.U. dauerhaft weiterbeschäftigen (Az.: 5 Sa 27/23).

Mitte Oktober 2020 hatte ein Paketzusteller bei seinem Arbeitgeber einen befristeten Job angetreten. Später wurde das Arbeitsverhältnis dann dreimal mit ebenfalls befristeten Verträgen bis Ende April 2022 verlängert. Nach einem Malheur mit einem herabfallenden Paket beim Ausliefern informierte der Mann am 23.04.2020 über den Messangerdienst WhatsApp seinen Niederlassungsleiter darüber, dass er nach einem Arbeitsunfall ins Krankenhaus gekommen sei und wegen eines Nabelbruchs ggf. am gleichen Tag operiert werde.

Über seine Partnerin als Botin ließ der Arbeitnehmer der Firma kurz darauf eine zunächst „voraussichtlich“ bis zum 08.05. datierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommen. Telefonisch gab er zudem Bescheid, dass er nach Aussagen seines Arztes womöglich mindestens sechs Wochen ausfallen werde.

Im Gegenzug bekam die Frau vom stellvertretenden Niederlassungsleiter einen vom Unternehmen unterschriebenen Vertrag über eine erneute befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.05.2022. Darin war als Sachgrund die „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit“ (Urlaub) dreier anderer Mitarbeiter genannt. Diesen unterschrieb der erkrankte Mitarbeiter und ließ ihn der Firma zukommen.

Mitte Juni klagte der Mann dann auf Weiterbeschäftigung: Die vereinbarte Befristung sei unzulässig, da sich schon bei Vertragsabschluss abgezeichnet habe, dass er wegen seiner Erkrankung nach dem Unfall niemanden vertreten könne. Das bestritt die Firma und fand mit ihrer Sicht der Dinge vor dem Arbeitsgerichts Oldenburg zunächst Gehör.

Sachgrund der Vertretung verlangt ursächlichen Zusammenhang

Das LAG beurteilte den Fall im Berufungsverfahren jedoch anders und entschied zugunsten des Arbeitnehmers: Eine Befristung mit dem Sachgrund „Vertretung“ ist demnach nur dann möglich, wenn „zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Stammarbeitskräften und der befristeten Einstellung von Aushilfsarbeitnehmern ein ursächlicher Zusammenhang besteht“. Das aber sei hier nicht der Fall.

Denn die vom Gesetzgeber geforderte Kausalität bestehe „gerade dann nicht, wenn bei Vertragsabschluss der Arbeitgeber weiß, dass der Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht arbeiten kann“, so die Kammer. Schließlich sei der Abschluss eines befristeten Vertrages in derartigen Fällen „völlig sinnlos, weil der Zweck, den der Sachgrund der Vertretung verfolgt (…) nicht einmal ansatzweise erfüllt werden kann“.

Davon abgesehen könne sich das Unternehmen auch nicht darauf zurückziehen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seien „zeitabschnittsweise“ eingegangen und hätten jeweils lediglich einen voraussichtlichen Ausfall angezeigt: Wer nämlich von einem operativ zu behandelnden Nabelbruch bei einem Paketzusteller erfahre, „hat sicheres Wissen von einer mehrwöchigen Dauererkrankung des Arbeitnehmers“. Jede andere Interpretation ist den Richtern zufolge „lebensfremd“.

Da das Arbeitsverhältnis mit der Vereinbarung von Ende April ferner „bereits zum fünften Mal“ verlängert werden sollte, komme auch eine sachgrundlose Befristung „nicht mehr in Betracht“ und sei „rechtsunwirksam“. Deshalb müsse das Unternehmen den Mann dauerhaft weiterbeschäftigen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom (Az.: 5 Sa 27/23).

Vorinstanz: Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 23.11.2022 (Az.: 3 Ca 81/22).

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