Der (lokale) Betriebsrat einer Konzernobergesellschaft kann bei einer geplanten Standortverlagerung auch dann die Einigungsstelle zwecks Abschlusses eines Sozialplans anrufen, wenn das Unternehmen dies eigentlich auf Ebene des Konzernbetriebsrats verhandeln möchte. Das geht aus einem Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln hervor (Az.: 9 TaBV 9/23).

Nachdem die Leitung eines Konzerns beschlossen hatte, einen Standort mit mehreren Unternehmen und Betrieben aufzugeben bzw. zu verlagern, kam es zum Streit darüber, welche Arbeitnehmervertretung dabei im Einzelfall für Verhandlung über einen Interessensausgleich und den etwaigen Abschluss eines Sozialplans zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile zuständig ist. Arbeitgeberseitig sah man hier den Konzernbetriebsrat als Ansprechpartner und verwies u.a. darauf, es seien Betriebe aus drei Unternehmen betroffen.

Das aber wollte der bei der Konzernobergesellschaft gebildete (lokale) Betriebsrat nicht hinnehmen, sah die Zuständigkeit für den Abschluss des Sozialplans bei sich und beantragte bei Gericht die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema.

Dem gab das Arbeitsgericht in erster Instanz statt und setzte eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Abschluss eines Sozialplans wegen beabsichtigter Standortverlagerung des Betriebs von B nach K“ ein, bestellte einen Vorsitzenden und legte die Zahl der Beisitzer pro Seite auf zwei fest. Dagegen legte das Unternehmen Beschwerde ein, fand vor dem LAG damit aber kein Gehör.

Wie die Richter entschieden, handelt es sich bei der entsprechenden Standortverlegung gemäß §§ 112 Abs. 4, 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG „um eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung, wegen derer im Falle der Nichteinigung auf einen Sozialplan die Einigungsstelle angerufen werden kann“. Und dabei sei der Einzelbetriebsrat der Konzernobergesellschaft „nicht offensichtlich unzuständig“, schließlich obliege die Ausübung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte grundsätzlich dem den Arbeitnehmern gewählten (örtlichen) Betriebsrat.

Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat seien hingegen gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG bzw. § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur dann zuständig, wenn „die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb oder das einzelne Unternehmen beschränkt ist und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene gewahrt werden können“. Das aber sei hier nicht der Fall: Zwar betreffe der Entschluss zur Standortverlagerung mehrere Konzernunternehmen. Aus Sicht der Kammer müssen deshalb aber etwaige Ausgleichsmaßnahmen zur Milderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile „nicht offenkundig betriebs- und unternehmensübergreifend geregelt werden“.

Weiter heißt es in der Begründung:

„Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats für den Abschluss des Sozialplans ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin mit ihm zur Zeit Verhandlungen über einen Interessenausgleich führt. Denn Interessenausgleich und Sozialplan sind nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Aus der möglicherweise gegebenen Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zum Abschluss eines Interessenausgleichs folgt daher nicht ohne weiteres die Zuständigkeit für den Abschluss eines Sozialplans.“

Nötig sei vielmehr, dass auch im Hinblick auf den Sozialplan „ein zwingendes Bedürfnis für eine unternehmensübergreifende Regelung“ besteht. Das fehle in diesem Fall jedoch. Und auch die Tatsache, dass der Konzern für den Umzug ein Gesamtsozialplanvolumen festgelegt habe, spiele keine Rolle. Denn gemäß „der Konzeption der Betriebsverfassung hat das Unternehmen, nicht hingegen der Konzern, die Kosten der betrieblichen Mitbestimmung zu tragen“.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20.03.2023 (Az.: 9 TaBV 9/23).

Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 09.02.2023 (Az.: 17 BV 5/23).

Wichtig

Weitere Informationen zum Thema Handlungsmöglichkeiten bei einschneidenden Unternehmensentscheidungen wie einer Standortverlagerung finden sich in unserem Hintergrundbeitrag „Vorbereitet sein: Rechte des Betriebsrats bei Betriebsänderung“.

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