Betriebsvereinbarungen können das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und seine Regelungen nicht aushebeln. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Bezug auf den sog. Tarifvorrang erneut klar gestellt und einem Servicetechniker im Außendienst Recht gegeben: Dessen Arbeitgeberin muss ihm nun die kompletten Fahrzeiten für Kundenbesuche vergüten (Az.: 5 AZR 36/19).

Konkret ging es um die Frage, wie viel von der Fahrzeit eines Außendienstmitarbeiters zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück als Arbeitszeit anzurechnen ist. Nach einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 zählten die jeweils ersten zwanzig Minuten Fahrzeit in dem beklagten Unternehmen nicht zur Arbeitszeit. Erst bei An- und Abreisen, die länger dauerten, wurde die entsprechend längere Fahrzeit als Arbeitszeit anerkannt und abgerechnet.

Die Beklagte, gebunden an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, rechnete entsprechend der eigenen Betriebsvereinbarung ab. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Er bezog sich auf § 77 Abs. 3 BetrVG. Danach können durch Tarifvertrag tatsächlich oder dort üblicherweise geregelte Arbeitsentgelte oder Arbeitsbedingungen „nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein“. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatten die Klage abgewiesen.

Öffnungsklausel im Tarifvertrag fehlt

In der Revision war der Kläger jedoch erfolgreich. Der Fünfte Senat des BAG erinnerte daran, dass nach Manteltarifvertrag (MTV) „sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung“ abzugelten sind. Dazu gehörten bei Außendienstlern eben die kompletten Fahrzeiten für An- und Abfahrt – ohne Abzüge. Da der MTV keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthalte, ist die besagte Betriebsvereinbarung der Beklagten „wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam“.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2020 (Az.: 5 AZR 36/19).

Vorinstanz: Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.12.2018 (Az.: 10 Sa 96/18).

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