Geklagt hatte ein Mann, der seit Anfang 2023 bei einer Kommune im Großraum Köln als „Beschäftigter im Bauhof“ angestellt war und bei dem ein Grad der Behinderung von 80 anerkannt ist. Ende Mai – also noch während der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit – erlitt er dann beim Fahrradfahren einen Kreuzbandriss und fiel deshalb krankheitsbedingt längere Zeit aus.
Mitte Juni hörte die Behörde dann den Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte zu einer beabsichtigten „Kündigung in der Probezeit“ des Mannes an. Dieser habe, so der Tenor, bei seiner Arbeit nicht den Erwartungen entsprochen und sich überdies nicht ausreichend ins Team integriert. Nachdem keine Einwände kamen, wurde dem Mitarbeiter dann tatsächlich ordentlich und fristgerecht zum 31.07.2023 gekündigt.
Dagegen legte der Mann Kündigungsschutzklage ein. Das Arbeitsgericht Köln teilte seine Rechtsauffassung und entschied, die Kündigung sei „rechtsunwirksam“, da „gegen gesetzliche Diskriminierungsverbote verstoßen“ worden sei. So habe es die Kommune u.a. versäumt, den schwerbehinderten Mitarbeiter in der Probezeit besser zu unterstützen.
Denn „Arbeitgeber sind auch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen“, so die Kammer. Das bedeute in diesem Fall, die Personalverantwortlichen hätten bei auftretenden (Leistungs-)Problemen während der Probezeit frühzeitig „Präventionsmaßnahmen ergreifen und – soweit niederschwelligere Maßnahmen nicht fruchteten – die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt präventiv einschalten müssen, was nicht geschehen ist“.
Die Richter erinnerten zudem daran, dass der Europäische Gerichtshof bereits entschieden habe, dass Arbeitgeber vor einer Probezeit-Kündigung von schwerbehinderten Beschäftigten für diese alternative Einsatzmöglichkeiten prüfen müssen (wir berichteten).
Da auch das nicht getan wurde, habe der Arbeitgeber unzweifelhaft gegen seine Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen verstoßen, was „regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung“ indiziere. Es entstehe nämlich der Eindruck, „an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein“.
Insgesamt ist daher aus Sicht des Gerichts von einer unerlaubten „Diskriminierung des Klägers wegen seiner Behinderung“ auszugehen und das Arbeitsverhältnis entsprechend nicht beendet.
Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.12.2023 (Az.: 18 Ca 3954/23).
Info
- Arbeitnehmer haben in vielen Fällen erst dann Anspruch auf gesetzliche, individual- und/oder kollektivvertragliche Rechte, wenn sie zuvor eine bestimmte Wartezeit hinter sich gebracht haben.Die wohl wichtigste Wartezeit ist die sechsmonatige aus dem KSchG für den allgemeinen Kündigungsschutz: Wer noch nicht länger als sechs Monate im Betrieb/Unternehmen seines Arbeitgebers arbeitet, hat keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Diese Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG deckt sich mit der Höchstdauer der Probezeit aus § 622 Abs. 3 BGB.
- § 167 Abs. 1 SGB IX besagt: „Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.“