Arbeitszeiterfassung soll künftig in Betrieben hierzulande zum Regelfall werden. Das sieht ein Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium für ein Gesetz „zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ vor. Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit sollen demnach elektronisch und taggleich dokumentiert werden müssen. Mit der Novelle, die auch Ausnahmen vorsieht, reagiert die Regierung auf verschiedene Gerichtsurteile.

Kern der Neuregelungen zur Arbeitszeiterfassung sind geänderte Vorgaben im Bereich „Aushang und Arbeitszeitnachweise“ des Arbeitszeitgesetzes. Demnach soll § 16 Abs. 2 ArbZG(-E-) in Zukunft wie folgt lauten:

„Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Er hat ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Absatz 7 eingewilligt haben. Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise nach Satz 1 und 2 mindestens zwei Jahre aufzubewahren.“

Die Dokumentation selbst kann dabei dem Entwurf zufolge „durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen“ (§ 16 Abs. 3 ArbZG(-E-)) . Allerdings bleibt Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass die geleisteten Stunden ordnungsgemäß ausgezeichnet werden.

Verstöße gegen Arbeitszeitvorgaben sollen transparent werden

Darüber hinaus sollen Firmen laut dem Dokument, das unserer Redaktion vorliegt, weitere Transparenz- und Sorgfaltspflichten einhalten müssen, beispielsweise:

  • „Wenn die Aufzeichnung nach Absatz 2 Satz 1 durch den Arbeitnehmer erfolgt und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichtet, hat er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden“ (§ 16 Abs. 4 ArbZG(-E-))
  • „Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit nach Absatz 2 Satz 1 zu informieren. Er hat dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen“ ((§ 16 Abs. 5 ArbZG(-E-)).

Abweichungen per Tarifvertrag möglich

Wie in vielen gesetzlichen Vorgaben sieht auch der nun bekannt gewordene Entwurf Ausnahmen von den o.g. generellen Regeln vor. So sollen die Sozialpartner in „einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung“ z.B. vereinbaren können, dass Arbeitszeiten „in nichtelektronischer Form“ erfasst werden oder nicht taggleich, sondern spätestens „bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der
Arbeitsleistung folgenden Kalendertages“ dokumentiert werden müssen (§ 16 Abs. 7 ArbZG(-E-)).

Zudem sollen Tarif- bzw. Betriebsparteien festlegen dürfen, dass auf eine Erfassung in bestimmten Fällen ganz verzichtet wird – allerdings nur „bei Arbeitnehmern, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann“. Laut der Gesetzbegründung ist das „etwa bei Führungskräften, herausgehobenen Experten oder Wissenschaftlern“ denkbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings der Verweis auf die Arbeitnehmereigenschaft.

Für kleinere und Kleinstbetriebe plant das Bundesarbeitsministerium daneben Übergangsregeln, die einstweilen auch eine (hand-)schriftliche Dokumentation – etwa per Stundenzettel – erlauben. Während ein digitales System zur Arbeitszeiterfassung generell spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes gefordert wird, haben Firmen mit unter 250 Beschäftigten dafür zwei Jahre Zeit. Bei Arbeitgebern mit weniger als 50 Beschäftigten sind es fünf Jahre.

Einblicksrecht für den Betriebsrat

Im Hinblick auf die Arbeit von Betriebsräten stellt der Entwurf in seiner Begründung deutlich klar, dass auch eine elektronische Arbeitszeiterfassung nicht nur die Arbeitsvertragsparteien etwas angeht. Konkret heißt es dazu:

„Die Arbeitszeitaufzeichnungen kann auch der Betriebsrat einsehen. Nach § 80 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) hat der Betriebsrat unter anderem die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Dazu sind dem Betriebsrat nach § 80 Absatz 2 BetrVG auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.“

Know-how

Bislang gibt es in Deutschland keine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung – lediglich Mehrarbeit bzw. Überstunden müssen laut § 16 Abs. 2 ArbZG zwingend dokumentiert werden. 2019 hatte der Europäische Gerichtshof dann aber in einem vielbeachteten Urteil  (EuGH, 14.05.2019 – Rs. C-55/18) entschieden, die EU-Mitgliedstaaten müssten Arbeitgeber zur Einführung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“, verpflichten. Und im Herbst vergangenen Jahres stellte das Bundesarbeitsgericht klar, Arbeitgeber seien „nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen“ (wir berichteten). Da eine Dokumentation der Arbeitszeit damit bereits verpflichtend und gesetzlich geregelt sei, stehe einem Betriebsrat entsprechend kein Initiativrecht bei diesem Thema zu.

Wichtig: Der Senat betonte in seiner Entscheidung (BAG, 13.09.2022 – 1 ABR 22/21) aber zugleich, die genaue Ausgestaltung „lässt Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats“ – etwa i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

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