Ein örtlicher Betriebsrat hat Anspruch darauf, vom Arbeitgeber bestimmte Auskünfte über die Arbeitszeiten von Außendienstmitarbeitern in Vertrauensarbeitszeit zu erhalten. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) München entschieden (Az.: 4 TaBV 9/22). Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.

Die Auseinandersetzung in dem Prozess verlief zwischen dem Betriebsrat eines Teilbetriebes mit rund 545 Arbeitnehmern und dessen Arbeitgeber, der ein Mobilfunk- und ein Telefonfestnetz betreibt. Dort sind – abgesehen von der Zentrale – in allen Betrieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Vertriebsaußendienst beschäftigt. Für die Vertriebsorganisationen besteht eine übergreifende Leitungsstruktur.

Für alle Außendienstmitarbeiter wird die Arbeitszeit seit 2009 durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) geregelt. Darin heißt es u.a., dass die Beschäftigten innerhalb des Arbeitszeitrahmens und unter Beachtung der Kundenanforderungen selbst bestimmen können, „wann sie die Arbeit aufnehmen und beenden.“ Betriebliche Belange sind danach zu beachten, Abweichungen von der Soll-Arbeitszeit eigenverantwortlich auszugleichen. Zudem verpflichtet die GBV die Vertriebsmitarbeiter im Außendienst, „die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten.“ Diese Vorschriften werden dann aufgelistet.

Ebenfalls werden diese Arbeitnehmenden verpflichtet, „alle Arbeitstage aufzuschreiben, an denen sie mehr als acht Stunden – exkl. Pausen – gearbeitet haben. Die Aufzeichnungen sind vom Arbeitgeber aufzubewahren.“ In der GBV ist ferner fixiert, dass der Arbeitgeber dem Gremium auf Verlangen „die vom Arbeitnehmer zu führenden Aufzeichnungen zur Verfügung stellt.“

Im betreffenden Teilbetrieb gilt daneben auch eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeitgestaltung, die in § 11 vorsieht, dass der Betriebsrat „spätestens bis zum 15. jeden Monats eine Saldenliste aller Gleitzeitkonten des Vormonats in elektronischer Form“ erhält. Diese Informationen erbat der Betriebsrat mehrfach – erfolglos. Auch Angaben zu Beginn und Ende der Arbeitszeit wurden verwehrt.

Was muss Arbeitgeber erfassen, was liefern?

Daher beschloss das Gremium mit neun Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen laut Gericht ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einzuleiten mit „dem Ziel, den Arbeitgeber zur Durchführung der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit sowie zur Bereitstellung der Arbeitszeiten anzuhalten“. Einerseits nämlich bestehe ein Kontrollrecht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Einhaltung von Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen). Andererseits seien die geforderten Informationen notwendig, „um die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr.3 AZG zu überwachen“.

Erstinstanzlich verwies das Gremium zudem darauf, dass die in der GBV vereinbarte Vertrauensarbeitszeit der Erfüllung seines Anspruchs nicht entgegenstehe. Denn eine Erfassung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber sei europarechtlich durch die Richtlinie 2003/88 EG und den EuGH vorgegeben. Zudem könne die GBV das Kontrollrecht des örtlichen Betriebsrats entsprechend der hiesigen Rechtsprechung auch nicht aushebeln. Darüber hinaus diene das Modell der Vertrauensarbeitszeit mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und „nicht der Regelung der Länge der Arbeitszeit“. Daher seien die gewünschten Daten zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber stufte die Anträge hingegen als „unzulässig und unbegründet“ ein und verwies darauf, dass die geforderten Informationen das Umsetzen der Vertrauensarbeitszeit unmöglich machten. Zudem sei mit „dem zuständigen Gesamtbetriebsrat“ vereinbart worden, dass keine generellen „Arbeitszeitaufzeichnungen erfolgen sollten“. Man verfüge insofern nicht über diese Informationen und könne auch keine Auskunft darüber erteilen.

Dem folgte das Arbeitsgericht München und wies die Anträge ab. Zur Begründung hieß es u.a., ein „Anspruch des örtlichen Betriebsrats scheitere an der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Regelungen der Arbeitszeit der Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst“.

Kontrolle der Arbeitszeiten Sache des örtlichen Betriebsrats…

Im Beschwerdeverfahren vor dem LAG hingegen folgte die Kammer im Wesentlichen der Argumentation der Arbeitnehmervertreter: Soweit der örtliche Betriebsrat – dem dieses Recht zustehe – nämlich die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (v.a. §§ 5 Abs. 1, 7 ArbZG) kontrollieren wolle, seien die verlangten Informationen „zur Durchführung dieser Überwachungsaufgabe erforderlich“. Dass die Firma in der GBV keine generelle Zeiterfassung im Außendienst sieht, ändert daran nach Ansicht der Richterinnen und Richter nichts: „Die Tatsache, dass sie die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer nicht erfasst, steht dem Anspruch nicht entgegen.“

Zwar sei eine Information grundsätzlich nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn ein Schuldner auch tatsächlich über sie verfügt. „Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Arbeitgeber die notwendigen Daten nur deshalb nicht hat, weil er sie nicht erheben will.“

Die Kammer verwies zudem darauf, dass der deutsche Gesetzgeber nach dem Zeiterfassungsurteil des EuGH vom 14.05.2019 (C-55/18) zwar „bisher noch nicht regelnd tätig geworden“ sei: Das schließe aber einen Anspruch des Betriebsrats nicht aus, „der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon bisher gegeben war und dessen Sinn, die Arbeitnehmer noch von anderer Seite zu schützen, nicht zu beanstanden ist“.

…aber nicht für alle Aspekte

Das Gremium habe daher i.S.v. § 16 Abs. 2 ArbZG und der GBV „Anspruch auf Überlassung der Unterlagen zu Arbeitszeiten, die über die täglichen acht Stunden hinausgehen“. Saldenlisten laut § 11 der BV stünden dem Betriebsrat hingegen nicht zu, da die BV keine Gültigkeit für Vertriebsmitarbeiter im Außendienst besitze.

Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 11.07.2022 (Az.: 4 TaBV 9/22).

Vorinstanz Arbeitsgericht München vom 18.10.2021 (Az.: 29 BV 61/21).

 

 

Aktuelle Beiträge