Arbeitgeber können es einem (Gemeinschafts-)Betriebsrat nicht verbieten, eine Mitarbeiterbefragung zu den Arbeitsbedingungen durchzuführen. Denn dagegen „bestehen dem Grunde nach keine rechtlichen Bedenken“, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen. Zudem gebe es „keine Verpflichtung“, den Arbeitgeber vorab um dessen Zustimmung dazu zu bitten (Az.: 4 TaBVGa 1/22).

Bei einem ambulanten Pflegedienst hatte der dortige Gemeinschaftsbetriebsrat im Frühjahr 2022 eine Mitarbeiterbefragung initiiert – u.a. unter den dort tätigen 32 Auszubildenden. Diese bestand aus einem Anschreiben und einem Fragebogen. Als der Arbeitgeber davon erfuhr, forderte er das Gremium dazu auf, die Aktion zu stoppen und innerhalb einer Frist zu erklären, dass die Fragebögen zurückgezogen und vernichtet würden.

Unterlassungsverfügung abgelehnt

Da keine Reaktion erfolgte, beantragte die Firma vor dem Arbeitsgericht eine Unterlassungsverfügung, kam damit aber nicht durch. Auch eine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss blieb ohne Erfolg. Denn das LAG entschied, der Pflegedienst habe weder einen Verfügungsgrund – also besondere Eilbedürftigkeit -, noch einen sachlichen Verfügungsanspruch. Zwar enthalte das Betriebsverfassungsgesetz explizit keine Vorschiften zum Thema. Das bedeute jedoch „nicht, dass die geplante Maßnahme allein deshalb unzulässig wäre“. Maßgeblich sei vielmehr, ob ein Zusammenhang zwischen den Fragen und den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats – sowie hier auch der Jugend- und Auszubildendenvertretung – bestehe.

Zur Begründung verwies die Kammer dabei v.a. auf vier Aspekte:

  1. sei der Informations- und Meinungsaustausch zwischen Belegschaft und Betriebsrat gesetzlich geboten und „nicht in der Form kanalisiert und eingeschränkt, dass er lediglich in den im Gesetz ausdrücklich als Institution vorgesehenen Formen erfolgen“ (z.B. Sprechstunde oder Betriebs- und Abteilungsversammlung) dürfe – entsprechend könne das Gremium frei wählen, wie es den Dialog gestalt.
  2. entstehe durch die Teilnahme an der Umfrage kein nennenswerter Zeitaufwand oder gar eine Störung des Betriebsablaufs; auch die Kosten seien unerheblich
  3. könne eine Mitarbeiterbefragung – solange die Fragen sachlich und seriös blieben – auch zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien und der Wahrung des Betriebsfriedens beitragen, „weil nämlich mögliche Konfliktsfälle frühzeitig erkannt und durch Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bereinigt werden können“
  4. habe zwar der Betriebsrat bei Personalfragebögen des Arbeitgebers, § 94 BetrVG komme aber „keine umgekehrte Wirkung in Hinblick auf eine Mitarbeiterbefragung durch den Betriebsrat zu“.

Somit sei die Umfrage im vorliegendem Fall in keiner Form zu beanstanden und der Antrag des Arbeitgeber entsprechend abzulehnen,

Betriebsrat darf Informationen auch verwerten

Neben der Frage der Zulässigkeit äußerten sich die Richter auch zum Umgang mit den in der Umfrage gewonnenen Informationen: Sei nämlich die Fragebogenaktion an sich zulässig, „sind die damit gewonnenen Ergebnisse auch durch den Betriebsrat verwertbar“. Und weiter: „Selbst bei rechtswidriger Informationserlangung erscheint eine Verwertung der gewonnenen Informationen zulässig.“ Schließlich stehe auch einer betriebsinternen Veröffentlichung der Ergebnisse nichts entgegen.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom 15.07.2022 (Az.: 4 TaBVGa 1/22).

Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig 13.05.2022 (Az.: 12 BVGa 2/22).

Info

Weitere Informationen zu den Rechten des Betriebsrats finden sich in unserem Wissenspool, v.a. in den Beiträgen

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