Die Folgen von Mobbing sind erheblich, nicht nur für die persönlich Betroffenen, sondern auch für Firmen, in denen Mobbing vorkommt. Wir zeigen, wie Mobbing begegnet werden kann…

Mobbing ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Denn schon immer hat man versucht, unliebsame Personen auszugrenzen, zu isolieren und schließlich ganz aus der Gemeinschaft zu entfernen. Leider geschieht genau das auch alltäglich in unserer Arbeitswelt. Wer allerdings mit Unternehmenslenkern spricht und nach dem Thema Mobbing fragt, erhält fast immer dieselbe Antwort: „Mobbing? Bei uns doch nicht!“. Schön wäre es! Wobei inzwischen in vielen Fällen das so genannte „Bossing“ – also Mobbing durch oder auf Weisung des Vorgesetzten – das „klassische“ Mobbing überrundet hat.

Eine gesetzliche Definition von Mobbing gibt es zwar nicht, allerdings hat sich die einschlägige Rechtsprechung inzwischen eine Definition des deutsch-schwedischen Mobbingforschers Heinz Leymann zu Eigen gemacht.

Danach ist Mobbing eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einem oder mehreren anderen Personen systematisch und während längerer Zeit direkt oder indirekt angegriffen wird – mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem sozialen Gefüge im Betrieb und die angegriffene Person dieses als Diskriminierung erlebt.

Ein kleines Beispiel aus dem realen Leben: Ein Mitarbeiter kommt in die Kantine und setzt sich zu drei Kollegen an den Tisch. Diese stehen daraufhin auf und setzen sich an einen anderen Tisch. Als Einzeltat ist das nach der Definition noch kein Mobbing, aber ein sicheres Indiz dafür, dass hier noch anders Aktionen laufen.

Praxishinweis: Alltäglicher beruflicher Ärger wie kurzfristige Konflikte oder Streitigkeiten mit Vorgesetzten oder Arbeitskollegen erfüllen demnach nicht den Tatbestand des Mobbings. Es muss vielmehr eine Reihe von Begebenheiten vorliegen und „sich aus einer Kette von Vorfällen ein System erkennen lassen“ (vgl. LAG Hamm, 25.06.2002 – 18 (11) Sa 1295/01). Auch eine „berechtigte Abmahnung kann grundsätzlich kein Mobbing sein“ (vgl. LAG Schleswig-Holstein, 17.03.2010 – 6 Sa 256/09).

Erscheinungformen, Folgen und Kosten von Mobbing im Betrieb

Laut einer Erhebung des Statistik-Portals Statista haben Arbeitnehmer, die Mobbing ausgesetzt waren bzw. sind, v.a. folgende Erscheinungsformen erlebt

Vorenthalten von Informationen 67 %
Schlechtmachen vor Anderen 62 %
Verbreiten von Lügen 56 %
„Ins Messer laufen lassen“ 53 %
Nicht beachtet werden 44 %
Fehlinformationen erhalten 42 %

Noch verhältnismäßig neu ist das so genannte Cybermobbing. Dabei werden Einzelne über soziale Netzwerke herabgewürdigt, beleidigt, niedergemacht. Dieses Schicksal trifft inzwischen nicht nur Politiker, sondern auch ganz ‚normale‘ Menschen. Innerhalb von Unternehmen tritt dieses Phänomen bisher nur selten auf – vermutlich einfach deshalb, weil die Herkunft von Hetz-Nachrichten leicht zu ermitteln wäre. Gelegentlich müssen Betroffene aber in ihrem privaten Netzwerk „anonyme“ Beleidigungen von den Kollegen ertragen. Hier wird die Situation ein wenig schwierig, weil der Bereich des beruflichen Umfeldes verlassen wird.

Vermeintliche Gründe für Mobbing finden sich im beruflichen Alltag zu Hauf – auch wenn zum Glück nicht jede mögliche Ursache auch in einem Mobbingangriff mündet. Eine der wesentlichen Ursachen für Mobbing sind Ängste: Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der aktuellen Stellung; Angst, dass andere besser sind als man selbst; Angst den Anforderungen nicht (mehr) gewachsen zu sein etc.. Manchmal sind es aber auch Minderwertigkeitsgefühle oder Machtphantasien. Frei nach dem Motto: Je schlechter ich den anderen aussehen lasse, desto besser stehe ich selbst da.

Besonders in schwierigen Zeiten, etwa bei drohendem Arbeitsplatzabbau, häufen sich Mobbingangriffe. Vorgesetzte bekommen oftmals Vorgaben zur Reduzierung der Arbeitskräfte, aber ohne die eigentlich notwendige Unterstützung durch den HR-Bereich. Manche versuchen dann, die Abbau-Vorgaben durch das „Wegmobben“ der überzähligen Mitarbeiter zu erfüllen.

Die Folgen von Mobbing – aus welchem Grund auch immer es dazu kommt – können dramatisch sein. Das gilt nicht nur für den Betroffenen selbst, bei dem gesundheitliche Beschwerden bis hin zu Herzerkrankungen oder Depressionen auftreten können, sondern auch für das Unternehmen selbst. Denn Mobbing beeinträchtigt nicht nur die unmittelbar betroffenen Mitarbeiter in ihrer Arbeitsleistung und Motivation, sondern auch andere Beschäftigte, die solche Vorgänge mitbekommen. Da steht nämlich immer die Frage im Hintergrund, ob man selbst nicht der oder die Nächste ist.

Auch die Folge-Kosten von Mobbing sind erheblich, nicht nur für die persönlich Betroffenen, sondern auch für Firmen, in denen Mobbing vorkommt, und für die Gesellschaft: Neben Ausfallzeiten, Produktionsstörungen und, Qualitätsverlusten schlagen auch Kosten für Ersatzkräfte,Versetzungen, Kündigungen oder Einarbeitungen zu Buche. Zudem müssen die Sozialkassen für Behandlungen, Kuren, Medikamente, Lohnersatzleistungen und ggf. Frührenten tragen. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) verursacht Mobbing daher betriebs– und volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe.

Allgemein anerkannt ist, dass Mobbing die Betroffenen krank macht. Das fordert zum einen den Arbeitgeber heraus, der ja sicherstellen muss, dass die Arbeit den Menschen nicht gesundheitlich beeinträchtigt, zum anderen ist aber auch der Betriebsrat in der Pflicht. Denn ist er naturgemäß die erste Anlaufstelle für Mobbingopfer im Unternehmen.

So kann der Betriebsrat helfend eingreifen

Die Aufgabe des Betriebsrates besteht laut § 85 Abs. 1 BetrVG dann darin, Beschwerden von Mobbing-Betroffenen auf ihre sachliche Berechtigung zu prüfen und – sofern das geschehen ist – den Arbeitgeber zu veranlassen, die unzulässigen Angriffe gegen die Mitarbeiter zu unterbinden und ggf. gegen die Täter vorzugehen. Bestehen dabei unterschiedliche Auffassungen über die Begründetheit der Beschwerde des Arbeitnehmers, so kann der Betriebsrat laut § 85 Abs. 2 BetrVG den Streit auch vor eine Einigungsstelle bringen.

Im Extremfall kann der Betriebsrat auch die Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers gemäß § 104 BetrVG verlangen (vgl. auch unseren Beitrag zu den rechtlichen Folgen).Der Betriebsrat hat beim Thema zudem ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung des Betriebes) und damit auch ein Initiativrecht, um beispielsweise eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu schließen – mit dem Ziel Mobbingfällen entgegenzuwirken (vgl. unsere Musterbetriebsvereinbarung zum Thema).Besonders gefordert ist der Betriebsrat, wenn es sich um Bossing handelt, also der Vorgesetzte treibende Kraft hinter der Attacke ist. Denn dann fällt ja für den betroffenen Mitarbeiter der eigentlich erste Ansprechpartner, nämlich der direkte Vorgesetzte, als solcher aus. Gerade in Situationen, in denen von Personalabbau, Schließungen oder Arbeitsverlagerungen die Rede ist, sollte der Betriebsrat besonders darauf achten, dass keine Mobbingattacken gegen die Schwächeren initiiert werden.

Kommt es letztlich zu einem Personalabbau, kann der Betriebsrat durch klare Vereinbarungen dafür sorgen, dass die Führungskräfte mit dem schwierigen Thema nicht allein gelassen, sondern durch die Personalabteilung unterstützt werden. Schon das nimmt viel Druck von den Vorgesetzten und kann zur Vermeidung von Bossing-Fällen beitragen.

Autor:

Jürgen Heidenreich, Reinbek. Er ist u.a. Autor des Buches „Kostenfaktor Mobbing“, Verlag W. Bertelsmann (nur als eBook erhältlich).

Praxistipp der Redaktion:

In vielen Fällen kann der Betriebsrat auch einen Anspruch auf Teilnahme an einer Schulung zum Thema „Mobbing“ geltend machen. Zwar handelt es sich dabei um ein Thema, bei dem nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Betriebsrat Wissen dazu unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Lage zur sachgerechten Bewältigung seiner gesetzlichen Aufgaben stets benötigt. Wenn aber Kenntnisse zu Mobbing und dessen Bekämpfung zur sachgerechten Bewältigung der Aufgaben des Gremiums im Betrieb erforderlich sind, kann der Arbeitgeber eine Schulungsteilnahme nicht verweigern (vgl. BAG, 15.01.1997 – 7 ABR 14/96). Gleiches gilt, wenn eine konkrete betriebliche Konfliktlage besteht, aus der sich Handlungsbedarf für den Betriebsrat ergibt (LAG Hamm, 07.07.2006 – 10 TaBV 114/05).

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