Im Jahr 2023 stehen erneut allerlei Rechtsänderungen an, die Betriebsräte und Arbeitnehmer kennen sollten. Wir stellen Euch / Ihnen hier die wichtigsten Punkte vor.

Lohn und Gehalt:

  • Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit Oktober bei 12,00 EUR pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Über weitere Erhöhungen entscheidet die Mindestlohnkommission bis Ende Juni 2023. Mit der jüngsten Erhöhung beträgt die Anzahl an monatlichen Stunden, die Geringfügig Beschäftigte (sog. Mini-Jobber bzw. 520-EUR-Kräfte) arbeiten dürfen, ohne dass sich ihr Status ändert, nunmehr – bis zu einer weiteren Erhöhung – 43,33 Stunden.
  • Arbeitgeber können ihren Beschäftigten (wegen der Preisentwicklung) eine sog. Inflationsausgleichsprämie von insgesamt bis zu 3.000 EUR zahlen, die steuer- und sozialversicherungsfrei ist. Das sieht das sog. 3. Entlastungspaket der Bundesregierung vor. Konkret handelt es sich dabei den Angaben zufolge um „um einen steuerlichen Freibetrag, der auch in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden kann“ und nur zum Tragen kommt, wenn die Prämie „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt“ wird. Die Möglichkeit besteht dazu besteht bis Ende 2024. Einen Rechtsanspruch auf die Zahlung haben Beschäftigte allerdings nicht. Wichtig: Der Betriebsrat hat hier – sofern es keine tarifvertraglichen Regelungen gibt – bei der Verteilung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (Lohngestaltung, Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen – auch wenn es streng genommen nicht um Lohn geht).
  • Laut der 5. Pflegearbeitsbedingungenverordnung steigen die Mindestlöhne in der Pflege auf folgende Werte:
    Zeitpunkt Pflegehilfskräfte Qualifizierte Hilfskräfte Pflegefachkräfte
    ab Mai 2023 13,90 EUR 14,90 EUR 17,65 EUR
    ab Dezember 2023 14,15 EUR 15,25 EUR 18,25 EUR

     

  • Bei Dienstreisen im Inland gelten in 2023 folgende Pauschalen für den sog. Verpflegungsmehraufwand:
    • Eintägige Dienstreise von mehr als 8 Stunden: 14 EUR
    • Mehrtätige Dienstreise (= Abwesenheit von > 24 Stunden): 28 EUR pro ganzer Tag; An- und Abreisetag je 14 EUR
    • Stellt bzw. bezahlt der Arbeitgeber dabei Mahlzeiten (z.B. Hotelfrühstück) werden die Werte um 5,60 EUR für das Frühstück und je 11,20 EUR für Mittag- und Abendessen gekürzt.
  • Die Werte für Auslandsreisen finden sich nach Ländern/Regionen gestaffelt in einer Liste des Bundesfinanzministeriums.

Ausbildungsvergütung:

Azubi, die in einem nicht tarifgebundenen Ausbildungsbetrieb lernen und arbeiten, haben Anspruch auf eine Mindestausbildungsvergütung. Diese ist in § 17 Abs. 2 im Berufsbildungsgesetz festgelegt und steigt in 2023 auf folgende Beträge

Ausbildungsbeginn in 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr
2022 585,00 EUR 690,30 EUR 789,75 EUR 819,00 EUR
2023 620,00 EUR 731,60 EUR 837,00 EUR 868,00 EUR

Kindergeld:

Um Familien mehr zu unterstützen, steigt das Kindergeld in 2023 für die ersten drei Kinder auf jeweils 250 EUR pro Monat. Für das erste und zweite Kind ist das ein Plus von jeweils 31 EUR monatlich, für das dritte Kind ein Zuwachs von 25 EUR im Monat. Ab dem vierten Kind ändert sich nichts. Der alternativ gewährte (sächliche) Kinderfreibetrag gemäß § 32 Absatz 6 EStG steigt 2023 für jeden Elternteil von 2.810 auf 3.012 EUR.

Betriebsratsarbeit:

Für den Betriebsrat gilt es im neuen Jahr einige Neuregelungen zu beachten, die die alltägliche Betriebsratsarbeit nach Meinung von Experten durchaus erleichtern können: So sind außer Betriebsratssitzungen (vgl. § 30 BetrVG) nun auch Betriebsversammlungen und Sitzungen der Einigungsstelle übergangsweise wieder digital möglich (vgl. § 129 BetrVG).

Zu Anfang 2023 wird der Katalog der wirtschaftlichen Angelegenheiten, mit denen sich der Wirtschaftsausschuss zu beschäftigen hat, mit § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG ergänzt um Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Die Regelung legt laut Gesetzesbegründung fest, „dass zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss zu unterrichten, und die er mit ihm zu beraten hat, auch Fragen der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG gehören“. Und weiter: „Die Minimierung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken in Lieferketten ist ein bedeutsamer Faktor für das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens. Die Verletzung geschützter Rechtspositionen oder umweltbezogener Pflichten im Sinne des LkSG bergen ein Reputations- und Performanzrisiko mit unmittelbaren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens.“

Auch bei der Einführung von Verhaltensrichtlinien, Risikomanagementsystemen oder einem Beschwerdemanagement in diesem Zusammenhang hat der Betriebsrat laut § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht.

Arbeitslosengeld für kurz befristet Beschäftigte:

Menschen, die überwiegend als sog. kurz befristet Beschäftigte (vor allem Kulturschaffende) tätig sind, soll im Bedarfsfall der Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtert werden. Gemäß dem „Achten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ sollen diese unständig Beschäftigten künftig bereits dann Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, wenn sie innerhalb der letzten 30 Monate vor der Arbeitslosigkeit mindestens sechs Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt waren.

Sozialabgaben:

Während die Beiträge zur Renten- und Pflegeversicherung im neuen Jahr stabil bleiben, müssen viele Arbeitnehmer für die Gesundheit und die Arbeitslosenversicherung etwas tiefer in die sprichwörtliche Tasche greifen. Grund ist zum einen, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei den gesetzlichen Krankenversicherungen um 0,3 auf 1,6 Prozent steigt – einige Kassen erhöhen den Satz dabei stärker als andere. Der erhöhte Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung war hingegen schon länger geplant.

Folgende Beitragsätze fallen 2023 in den verschiedenen Bereichen der Sozialversicherung an:

Krankenversicherung – Allgemeiner Beitragssatz 14,60%
Krankenversicherung – Ermäßigter Beitragssatz 14,00%
Pauschalbeitrag Arbeitgeber zur Krankenversicherung (Mini-Job) 13,00%
Pauschalbeitrag Arbeitgeber zur Krankenversicherung (Mini-Job in Privathaushalt) 5,00%
Krankenversicherung – Durchschnittlicher Zusatzbeitrag 1,60%
Pflegeversicherung – Beitragssatz 3,05%
Pflegeversicherung – Beitragssatz für Kinderlose 3,40%
Rentenversicherung – Beitragssatz 18,60%
Pauschalbeitrag Arbeitgeber zur Rentenversicherung (Mini-Job) 15,00%
Eigenanteil Arbeitnehmer zur Rentenversicherung (Mini-Job) 3,60%
Pauschalbeitrag Arbeitgeber zur Rentenversicherung (Mini-Job in Privathaushalt) 5,00%
Beitragssatz Arbeitslosenversicherung 2,60%

 

Zur konkreten Berechnung der Beiträge gelten dabei folgende Rechengrößen und Schwellenwerte (in Euro)*:

West Ost
Jahr Monat Jahr Monat
Bezugsgröße KV/PV 40.740,00 3.395,00 40.740,00 3.290,00
Bezugsgröße RV/ALV 40.740,00 3.395,00 40.740,00 3.150,00
Beitragsbemessungsgrenze RV/ALV 87.600,00 7.300,00 85.200,00 7.100,00
Beitragsbemessungsgrenze KV/PV 59.850,00 4.987,50 59.850,00 4.987,50
Jahresarbeitsentgelt-Grenze 66.600,00 5.550,50 66.600,00 5.550,50

* (KV = Krankenversicherung, RV = Rentenversicherung, PV = Pflegeversicherung, ALV = Arbeitslosenversicherung)

Der Beitragssatz für die Künstlersozialabgabe beträgt im Jahr 2023 5,0 Prozent.

Kurzarbeit:

Die zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie beschlossenen Erleichterungen werden bis (zunächst) Ende Juni 2023 fortgeführt. Diese besagen im Kern:

  • Kurzarbeitergeld ist für jeden Betrieb möglich, auch für Beschäftigte in Zeitarbeit (sofern das Unternehmen einen Sitz in Deutschland hat)
  • es gilt ein verringerter Wert für die Anzahl an Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen
  • das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des fehlenden Nettoentgelts, für Eltern 67 Prozent.

Per Verordnung kann die Bundesregierung die Sonderregelungen verlängern.

Wichtiger Hinweis: Da Kurzarbeitergeld (KUG) selbst zwar steuerfrei ist, der Erhalt der Transferleistungen aber den Steuersatz für das übrige Arbeitseinkommen erhöht, müssen KUG-Bezieher im Jahr 2023 mit Steuernachforderungen rechnen. Zudem sind sie zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, wenn sich im Vorjahr mehr als 410 EUR an KUG erhalten haben. Betriebsräte sollten Personalabteilungen auffordern, Beschäftigte entsprechend zu informieren.

Arbeitswelt:

  • Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung in Unternehmen: Laut einer Grundsatzentscheidung des EuGH (wir berichteten) müssen die EU-Mitgliedstaaten Firmen verpflichten, “ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann”. Mitte September 2022 hatte das Bundesarbeitsgericht in einem vielbeachteten Beschluss dann entschieden, dass Unternehmen aus Arbeitsschutzgründen bereits jetzt „nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet“ seien, ein System einzuführen, „mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“. Das Bundesarbeitsministerium hat daraufhin kürzlich angekündigt, „voraussichtlich im ersten Quartal 2023 (…) einen praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz machen“.
  • Der ‚Gelbe Schein‘ wird elektronisch: Arbeitnehmer sollen bei Krankheit bald keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform mehr vorlegen müssen. Stattdessen soll die AU künftig elektronisch an die Krankenkasse und den Arbeitgeber übermittelt werden. Das soll dann auch die Arztpraxis und nicht der Beschäftigte tun. Ursprünglich war ein Start des neuen Verfahrens bereits früher geplant. Wegen Corona und technischer Vorbereitungen startet das Vorhaben nun nach dem Jahreswechsel.
  • Der sog. bezahlte Vaterschaftsurlaub soll 2023 auf den Weg gebracht werden. Damit will die Regierung eine EU-Richtlinie umsetzen und – so heißt es im Koalitionsvertrag – „eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen“. Das hat Familienministerin Lisa Paus (Grüne) angekündigt. Ob die Regelung dann noch in 2023 in Kraft tritt, ist derzeit offen.

Änderungen im Steuerrecht:

  • Der Grundfreibetrag – also das steuerfreie Existenzminimum – steigt 2023 um 561 EUR auf dann 10.908 EUR.
  • Die Homeoffice-Pauschale wird künftig bis zu einem Höchstbetrag von 1.000 EUR gewährt werden. Bislang waren es 600 EUR. Wichtig: Von den maximal 1.000 EUR profitieren aber nur diejenigen, die über dem sog. Werbungskosten- bzw. Arbeitnehmerpauschbetrag von 1.200 EUR im Jahr liegen.
  • Altersvorsorgeaufwendungen (Beiträge zur Rentenversicherung) sollen künftig steuerlich besser geltend gemacht werden. Dazu wird die ursprünglich für 2025 vorgesehene vollständige Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgeaufwendungen auf 2023 vorgezogen werden. Rentenversicherungsbeiträge können damit im neuen Jahr vollständig als Sonderausgaben abgesetzt werden.
  • Der sog. Sparer-Pauschbetrag wird von 801 auf 1.000 EUR für Alleinstehende bzw. von 1.602 auf 2.000 EUR für Ehegatten sowie Lebenspartner erhöht. Freistellungsaufträge, die bereits erteilt wurden, sollen prozentual angepasst werden.
  • Der Ausbildungsfreibetrag (für volljährige Kinder in Berufsausbildung, die nicht mehr zuhause wohnen) steigt von bisher 924 EUR auf 1.200 EUR.
  • Erstmals seit acht Jahren gibt es eine neue Fassung der sog. Lohnsteuer-Richtlinien, die LStR 2023. Damit soll „eine einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften für die Arbeitnehmerbesteuerung durch die Finanzämter gewährleistet“ werden.

Wahrscheinliche Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht:

Neben den bereits feststehenden Änderungen sind im Verlauf des Jahres einige Neuregungen zu erwarten, die die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag avisiert haben bzw. die während der vergangenen Monate ins parlamentarische Verfahren eingebracht wurden:

  • Hinweisgeberschutz bei sog. Whistleblowing: Der Bundestag hat Mitte Dezember das sog. Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen. Es sieht u.a. vor, dass Whistleblower, die „im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit (…) Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen“ künftig (besser) vor beruflichen Repressalien geschützt werden. Davon umfasst sind laut Gesetzesbegründung explizit auch Meldungen im Zusammenhang mit Verstößen „gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten, Gesamtbetriebsräten, Konzernbetriebsräten, Wirtschaftsausschüssen, Bordvertretungen oder Seebetriebsräten“ i.S.v. § 121 BetrVG sowie beim Arbeitsschutz. Der Bundesrat muss dem Vorhaben noch zustimmen. 
  • Die Bundesregierung will die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige verbessern. Ein Gesetzentwurf sieht dazu u.a. vor, dass
    • Arbeitgeber, die einen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit eines/r Beschäftigten ablehnen, dies künftig – unabhängig von der Größe der Firma – begründen müssen
    • auch Beschäftigte in kleineren Betrieben einen Antrag auf Gewährung von Pflege- oder Familienpflegezeit stellen können. Während einer einmal vereinbarten Freistellung soll ein Sonderkündigungsschutz für die jeweiligen Beschäftigten gelten;
    • Arbeitnehmer:innnen, die der Ansicht sind, wegen Beantragung oder Inanspruchnahme von Elternzeit, Pflegezeit oder Familienpflegezeit benachteiligt zu werden, sollen sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden können
    • Mit dem Vorhaben soll die EU-Richtlinie 2019/1158 umgesetzt werden. Vom Bundesrat war in diesem Zusammenhang angeregt worden, die gesetzlichen Vorgaben für Pflegezeit und Familienpflegezeit in einer Norm zu verzahnen – regierungsseitig hieß es dazu in einer sog. Gegenäußerung, man wolle das „konkret in den Blick zu nehmen“.

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