Ein Betriebsrat kann laut § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG (über den Betriebsausschuss) „Einblick“ in die Brutto- Lohn- und Gehaltslisten nehmen. Damit bekommt das Gremium einen Überblick über die Vergütung der Beschäftigten und kann u.a. feststellen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten wird oder für bestimmte Arbeitnehmer auch tatsächlich Zuschläge gezahlt werden. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass Firmen – ob aus Unkenntnis oder Taktik – ihrer Auskunftspflicht nicht genügen und lediglich anonymisierte Daten vorlegen. Das aber ist unzulässig, wie kürzlich nach mehreren Landesarbeitsgerichten nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte.
Wie es in der BAG-Entscheidung heißt, ist die Berechtigung des Betriebsausschusses (oder eines nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschusses), entsprechend Einblick zu nehmen, „nicht auf anonymisierte Listen beschränkt“. Zur Begründung verwiesen die Richter in Erfurt u.a. darauf, die „Einsichtsgewährung in Bruttoentgeltlisten“ sei „zur Erfüllung eines Rechts des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG ‚erforderlich‘ iSv. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG“.
Effektive Wahrnehmung der Überwachungsrechte
Bereits im Herbst 2018 hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen entschieden, dass dem Betriebsrat zur „effektiven Wahrnehmung seiner Überwachungsrechte“ in der Tat auch „auch die Zuordnung der gezahlten Entgeltkomponenten zu den Klarnamen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ gezeigt werden müsse.
Hintergrund des Rechtsstreits war der Fall eines Klinikbetreibers, der gegenüber dem örtlichen Betriebsrat laut LAG argumentiert hatte, die Vorlage anonymisierter Lohnlisten reiche aus, um mögliche Diskriminierungen erkennen zu können. Da es zudem das Gebot der Datensparsamkeit und die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer zu beachten gelte, komme eine Offenlegung der Namen erst dann in Frage, wenn es substantielle Verdachtsmomente für Unregelmäßigkeiten gebe.
Diese Rechtsauffassung verwarfen die Richter in Hannover jedoch. Zur Begründung hieß es u.a., ein solches „Zwei-Stufen-Modell“ erschwere die Arbeit des Gremiums „unzumutbar“; auch Datenschutzbelange stünden einer Weitergabe nicht entgegen. Zudem, so heißt es in dem Beschluss weiter, müsse der Betriebsrat auch nicht erst extra „ein besonderes Überwachungsbedürfnis“ darlegen.
Das Gremium benötige vielmehr „Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann“. Ein Einsichtsrecht bestehe „deshalb auch dann, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen oder Zulagen erhalten und wie hoch diese sind“ (Az.: 12 TaBV 23/18).
Datenverarbeitung für Interessenvertretung ok
Ähnlichen Tenor hat auch ein Beschluss des LAG Sachsen-Anhalt vom Jahresende 2018. Darin wird einem Rehabilitationsklinikum ebenfalls auferlegt, dem Betriebsausschuss nicht-anonymisierte Lohn- und Gehaltslisten zu zeigen. Die Richter ließen auch hier Datenschutzbedenken nicht gelten, da § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG n.F. „ausdrücklich die Datenverarbeitung zum Zwecke der Ausübung von Rechten der Interessenvertretung der Beschäftigten“ erlaube. Das Einsichtnahmerecht des Betriebsausschusses nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG stehe insofern auf einer rechtssicheren Grundlage (Az.: 4 TaBV 19/17).
Lohn- und Gehaltslisten nach Geschlecht aufgeschlüsselt
Die 4. Kammer in Halle (Saale) verwies in ihrer Entscheidung überdies auf einen anderen Aspekt: Mit Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzgesetzes sei das Recht, das der Betriebsrat aus § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ableiten könne, sogar „erweitert“ worden. Ein Arbeitgeber habe „nicht nur vorhandene Listen zur Verfügung zu stellen, sondern diese noch nach Geschlecht aufzuschlüsseln und so aufzubereiten, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seines Einblicksrecht seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann“.
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 07.05.2019 (Az.: 1 ABR 53/17).
Vorinstanz: Beschluss des LAG Hamm vom 19.09.2017 (Az.: 7 TaBV 43/17).
Siehe auch:
- Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22.10.2018 (Az.: 12 TaBV 23/18).
- Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 01.03.2018 (Az.: 2 BV 10/17).
- Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 18.12.2018 (Az.: 4 TaBV 19/17).
- Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 05.07.2017 (Az.: 5 BV 68/16).
Praxistipp: Für örtliche Gremien endet der Auskunftsanspruch laut einer Entscheidung des BAG allerdings im eigenen Betrieb. So habe ein Ortbetriebsrat keinen Anspruch darauf, unternehmensweite Lohn- und Gehaltlisten einzusehen (BAG, 26.09.2017 – 1 ABR 27/16). Außerdem gibt es auch nach Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetz keinen Anspruch darauf, dass Betriebsrat oder Betriebsausschuss die Listen dauerhaft, also etwa als Datei, überlassen bekommen (vgl. LAG Düsseldorf, 23.10.2018 – 8 TaBV 42/18).
[Anmerkung: Dieser Text wurde am 02.09.2019 aktualisiert.]