„Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.“ Dass diese Redensart auch bei einer Betriebsratswahl zutreffen kann, musste ein Wahlvorstand erfahren, der eingehende Vorschlagslisten eher lax behandelt und nicht – wie vorgesehen – „unverzüglich“ geprüft und den Kandidierenden Rückmeldung gegeben hatte. Laut Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen ist die entsprechende Wahl deshalb unwirksam (Az.: 4 TaBV 31/22).

Ein Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl muss einen eingehenden Wahlvorschlag (Vorschlagsliste) gemäß § 7 Abs. 2 Wahlordnung „unverzüglich“, d.h. möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach Eingang, „prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste die Listenvertreterin oder den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten“.

Worum geht es?

In einem Unternehmen, das Textilien herstellt und handelt und etwa 240 Mitarbeitende beschäftigt, fand im Mai 2022 eine Betriebsratswahl statt. Der dreiköpfige Wahlvorstand hatte dazu Anfang März ein Wahlausschreiben erlassen, in dem die Belegschaft aufgerufen wurde, bis spätestens 11.04. (12 Uhr) – einem Montag – Wahlvorschläge einzureichen. Die Vorsitzende des Gremiums war dem Gericht zufolge von Mitte bis Ende der Woche vor Ende der Abgabefrist nicht im Betrieb, sondern nahm an einer HR-Klausurtagung bei der Muttergesellschaft der Firma teil. Während dieser Abwesenheit gab eine Vorschlagsliste „DWfa“ bei einem ihrer Vertreter dann am 06.04. einen Wahlvorschlag ab, der einen durchgestrichenen Kandidatennamen enthielt.

Am letzten Tag der Einreichungsfrist prüfte der dann wieder vollzählige Wahlvorstand dann morgens die Wahlvorschläge und erstellte u.a. ein Beanstandungsschreiben, in dem die Liste „DWfa“ auf Mängel in ihrem Vorschlag hingewiesen wurde. Statt aber den Kandidierenden das Schreiben direkt zukommen zu lassen, informierte ein Wahlvorstandsmitglied gegen 09:25 Uhr den Listenvertreter in dessen Pause darüber, er möge die Wahlvorstandsvorsitzenden aufsuchen, die in einem Besprechungsraum säße. Als der Mann das dann um ca. 10.30 Uhr tat, wurde er von der Vorsitzenden auf später vertröstet, da sie in einer Telefonkonferenz sei. Kurz vor Fristende bat die „DWfa“, die das Schreiben immer noch nicht erhalten hatte, per Mail anschließend zunächst darum, ihre Kandidatur als gegenstandlos zu betrachten, beantragte dann aber doch eine Nachfrist, um die Mängel im Wahlvorschlag zu beheben. Das aber wurde abgelehnt.

Juristischer Knackpunkt: Was ist „unverzüglich“?

Als nach Abschluss des Urnengangs das Ergebnis feststand, fochten den mehrere Arbeitnehmer vor Gericht an und beantragten, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären. Ihr Argument: Der Wahlvorstand habe seine Pflichten erheblich verletzt und etwa das Wahlausschreiben – trotz etlicher syrischer Beschäftigter – nicht auch in arabischer Sprache veröffentlicht. Außerdem sei bei der Prüfung des Wahlvorschlages geschlampt worden: Wäre der Wahlvorschlag von „DWfa“ nämlich zeitnah nach Eingang und nicht erst mehrere Tage später begutachtet worden, hätte die Liste ausreichend Zeit gehabt, Mängel zu beheben. So aber habe sie nicht einmal das in der Wahlordnung geforderte Schreiben erhalten. All das habe ggf. das Wahlergebnis beeinflusst.

Die Entscheidung der Richterinnen und Richter

Erstinstanzlich scheiterten die Beschäftigten. Das LAG stützte jedoch ihre Rechtsauffassung und entschied, die Wahl sei „unwirksam“, da der Wahlvorstand die Begutachtung der Vorschläge „schuldhaft verzögert“ und so „gegen seine Prüfungspflicht aus § 7 Abs. 2 Wahlordnung verstoßen“ habe. Zu beanstanden seien vor allem die faktische Untätigkeit des Gremiums zwischen Mittwoch der Vorwoche und dem Montag des Fristablaufs. Hinzu komme der Umgang mit dem Beanstandungsschreiben, das der Liste nie ausgehändigt wurde.

Denn die „Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters über die Ungültigkeit der Liste“, so die Kammer, dienten gerade dazu, „es den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste nachzureichen“. Wenn aber die Information über Mängel im Wahlvorschlag „mindestens grob fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich verzögert und sodann unterlassen“ werde und die Liste im Endeffekt nicht antrete, sei es möglich, „dass sich beide Fehler auf das Wahlergebnis hätten auswirken können“.

In ihrem Beschluss hoben die Richterinnen und Richter ferner deutlich, dass sich ein Wahlvorstand speziell vor kurz vor Stichtagen so organisieren müsse, dass er zeitnah auf Ereignisse reagieren kann und dies dann auch tue: „Für die Endphase der Einreichungsfrist heißt dies, dass er insbesondere die rechtzeitige Prüfung und Benachrichtigung i. S. v. § 7 Abs. 2 Wahlordnung abzusichern hat“. In diesem Fall aber spreche „viel dafür“, dass das Verhalten des Gremiums „ursächlich für den Rückzug der Liste und Unterlassen des Versuchs der Mängelbeseitigung innerhalb der zu setzenden Nachfrist war“. Und das sei ein klarer Anfechtungsgrund.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Thüringen vom 12.07.2023 (Az.: 4 TaBV 31/22).

Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 10.11.2022 (Az.: 5 BV 31/22).

Tipp

Die Entscheidung zeigt erneut, dass ein Wahlvorstand die Vorgaben der Wahlordnung nicht auf die sprichwörtliche leichte Schulter nehmen sollte und – insbesondere kurz vor Ablauf von Fristen – seine Handlungs- und Reaktionsfähigkeit sicherstellen muss.

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