Miserablen Arbeitsbedingungen sind nicht nur Beschäftigte in fernöstlichen Unternehmen ausgesetzt. Die LKW-Fahrer und LKW-Fahrerinnen, die über hiesige Straßennetze Güter befördern, werden nicht minder mit problematischen Zuständen konfrontiert. Eine Analyse zur Situation der Logistik-Mitarbeitenden beleuchtet die Bedeutung der noch umzusetzenden EU-Lieferkettenrichtlinie.   

„Ausbeuterische und teilweise gegen Menschenrechte verstoßende Praktiken“, finden sich nicht nur auf der anderen Seite der Welt, sondern recht nah auf der nächsten Autobahn, heißt es in einer von der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) geförderten Studie. Diese Analyse zeige drastisch, wie wichtig es für die Mitarbeitenden in der Güterlogistik ist, dass die EU-Lieferkettenrichtlinie hierzulande umgesetzt wird. „Und zwar je schneller, desto besser“, betont Christina Schildmann, Leiterin der HBS-Forschungsförderung.

Wissenschaftler der Universität Osnabrück sind der Frage nachgegangen, inwieweit das seit 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die noch umzusetzende Lieferkettenrichtlinie der EU helfen werden, „Verstöße gegen grundlegende Beschäftigtenrechte zu unterbinden“. Denn Verstöße gegen grundlegende Beschäftigtenrechte sind Legion, trotz der Verantwortung der Speditionen für die Arbeitsbedingungen im Gütertransport.

Wettbewerbs- und Kostendruck hat Folgen für Beschäftigte

Nach dieser Studie herrscht in der Logistik-Branche großer Wettbewerbsdruck und hoher Kostendruck. Mit Folgen für die Mitarbeitenden: Die Löhne sind niedrig, die Arbeitsbelastung ist hoch. Große Speditionen würden häufig Aufträge an Subunternehmen weitergeben, die ihrerseits die Aufträge teilweise ebenfalls weiterreichten. In Deutschland ansässige Unternehmen hätten vor 15 Jahren noch 64 Prozent der Transportleistungen erbracht, inzwischen liege dieser Anteil nur noch bei knapp 50 Prozent.

Zwischen Ostsee und Alpenrand sind nicht nur Brummifahrer aus Polen, Litauen, Tschechien oder Rumänien unterwegs, sondern zunehmend auch Fahrer, die in Nicht-EU-Ländern zuhause sind. Denn die Schwierigkeiten, die hiesige Speditionen bei dem Anwerben von Mitarbeitenden haben, forcieren die Internationalisierung der Mitarbeitenden in dieser Branche.

Gegenüber Arbeitgebern ist die Verhandlungsmacht von ausländischen LKW-Fahrern häufig gering, heißt es in der Analyse, denn „ihre wirtschaftliche Abhängigkeit [ist] oft stark ausgeprägt. Allerdings falle es selbst den Fahrern mit deutschen Arbeitsverträgen nicht leicht, gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Erklärt wird dies mit der hohen Mobilität und der räumlichen Verteilung der Arbeitskräfte. Zudem sei der gewerkschaftliche Organisationsgrad gering und viele kleine und mittlere Firmen seien nicht mitbestimmt.

Immerhin habe es im vergangenen Jahr eine Protestaktion hierzulande von den Kraftfahrern gegeben unter Beteiligung von ver.di und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das zuständig ist für die Kontrolle und Durchsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Mehr Transparenz in den Transportlieferketten gefordert

Die Konsequenzen für Unternehmen seit Einführung des LkSG seien freilich „relativ gering“ ausgefallen, betonen die Forschenden. Werde dieses Gesetz nach den Vorgaben der neuen EU-Richtlinie angepasst, könne es deutlichere Wirkung entfalten. Denn zum einen müssten Unternehmen dann Subunternehmen proaktiv auf das Einhalten von Standards überprüfen und zum anderen könnten Verstöße mit schärferen Sanktionen geahndet werden.

Folgerichtig erwarten Autorin und Autoren der Analyse, dass Unternehmen für mehr Transparenz in den Transportlieferketten sorgen. Möglich werde dies dank der „ohnehin aufgezeichneten Daten…, die etwa Aufschluss über die Einhaltung von Ruhezeiten geben“.

Unabdingbar sei zudem für die Fahrer und Fahrerinnen eine bessere Versorgungsinfrastruktur. Es sei beispielsweise an der Zeit, dass endlich die bereits seit 2022 verbotene, doch nach wie vor praktizierte Übernachtung in der Fahrerkabine auf den Raststätten unterbunden werde.

Nicht zuletzt machen sich Veronique Helwing-Hentschel, Martin Franz und Philipp Verfürth stark für Beratungsinfrastrukturen für die Beschäftigten in der Logistik: „Denn die Umsetzung von Sorgfaltspflichten setzt voraus, dass Beschäftigte in Transportlieferketten ihre Rechte kennen und sichere Wege aufgezeigt bekommen, diese einzufordern.“

Das Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 343, Juli 2024: „Sorgfaltspflicht in Transportlieferketten: Gesamte Lieferkette in den Blicknehmen“, steht hier zum kostenfreien Download zur Verfügung.

 

 

 

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