Pflegekräfte aus dem Ausland erhalten oftmals wenig Geld. In einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun entschieden, dass sie Anspruch auf den Mindestlohn für geleistete Arbeitsstunden haben – auch für Bereitschaftsdienste.

Geklagt hatte eine Bulgarin, die seit April 2015 als Sozialassistentin bei einem Unternehmen mit Sitz in ihrem Heimatland beschäftigt war. Sie wurde nach Berlin entsandt und erhielt eine Nettovergütung von 950 Euro monatlich. Dafür betreute sie eine über 90-Jährige, in deren Haushalt sie auch lebte. Zu ihren Aufgaben zählten Haushalts-Tätigkeiten sowie eine Grundversorgung und soziale Unternehmungen. Der Einsatz der Pflegekraft erfolgte auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags zwischen dem Unternehmen und der zu betreuenden Person.

Die Pflegekraft verklagte ihren Arbeitgeber später auf Vergütung nach dem Mindestlohngesetz. Sie habe nicht nur 30 Wochenstunden, wie in ihrem Arbeitsvertrag angegeben, sondern rund um die Uhr gearbeitet oder zumindest in Bereitschaft sein müssen. Die Beklagte war der Auffassung, den Mindestlohn nur für die arbeitsvertraglich vereinbarten 30 Wochenstunden zu schulden. In dieser Zeit hätten die anfallenden Aufgaben ohne Weiteres erledigt werden können. Ein Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen.

Die Vorinstanz hatte der Klage überwiegend entsprochen und eine kalendertägliche Arbeitszeit von 21 Stunden geschätzt. Gegen das Urteil legten beide Seiten Revision ein. Zwar habe das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass auch ausländische Arbeitgeber zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet sind, wenn sie Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Es habe aber den Hinweis der Beklagten zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche nicht ausreichend gewürdigt. Auch die Klägerin bekam recht: Es fehle bislang an Anhaltspunkten für die Schätzung des Gerichts, dass sie drei Stunden Freizeit am Tag hatte.

Es ist nun Sache des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, festzustellen, in welchem Umfang die Klägerin Vollarbeit oder Bereitschaftsdienst leisten musste und wie viele Stunden Freizeit sie hatte. Dafür ist sie mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu entlohnen.

Urteil des BAG vom 24.06.2021 (Az.: 5 AZR 505/20)

Vorinstanzen: Urteile des LAG Berlin-Brandenburg vom 17.08.2020 (Az.: 21 Sa 1900/19) und des ArbG Berlin vom 22.08.2019 (Az.: 44 Ca 11017/18)

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