In dem Fall ging es um eine Initiative der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die vom Sportartikelhersteller Adidas während des Corona-bedingten faktischen Shutdowns 2021 – die meisten der insgesamt etwa 5.400 Beschäftigten waren im Homeoffice – die Herausgabe der betrieblichen E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden verlangt und ein sog. digitales Zugangsrecht zum Betrieb eingefordert hatte. Alternativ käme auch ein virtueller Zentralverteiler oder ein fester Platz im Firmen-Intranet in Frage.
Die Antwort aus Herzogenaurach fiel seinerzeit – u.a. mit Verweis auf den Datenschutz und den Aufwand des Unternehmens – allerdings abschlägig aus, weshalb die Gewerkschaft ein Gerichtsverfahren einleitete.
Ihr Argument: Die Ansprüche – also ein digitales Zugangsrecht – ergäben sich aus dem betriebsverfassungsrechtlich gewährleisteten Zugangsrecht zum Betrieb für Gewerkschaften nach § 2 Abs. 2 BetrVG sowie aus dem gewerkschaftlichen Betätigungsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG. Das Zugangsrecht nach § 2 Abs. 2 BetrVG, so die IG BCE laut Gericht, „erfasse den physischen Zutritt zum Betrieb ebenso wie den digitalen Zugang“. Das bestehe im Übrigen nicht nur anlassbezogen, sondern auch an sich.
Zudem stünden auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Mitarbeiter dem nicht entgegen, da es sich um „dienstliche E-Mail-Adressen handle, die von der Beklagten selbst eingerichtet wurden“.
Gilt Recht auf physischen Zutritt auch digital?
Das aber ließ das Landesarbeitsgericht Nürnberg seinerzeit nicht gelten und entschied, Art. 9 Abs. 3 GG gewähre „der Gewerkschaft keinen Anspruch auf Herausgabe der oder Zugang zu den dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter, die in einem bestimmten Betrieb arbeiten, auch wenn diese nach den bestehenden Betriebsvereinbarungen bis zu 40 [Prozent] ihrer individuellen Arbeitszeit mobil oder im Home Office arbeiten können“. Die IGBCE habe „auch keinen Anspruch auf Zugang zu einem firmeninternen sozialen Netzwerk, der zwingend mit einem Zugriff auf die dienstlichen E-Mail-Adressen der Mitarbeiter verbunden ist“.
Daran ändere, so die Kammer seinerzeit, auch nichts, dass im Bundespersonalvertretungsgesetz in § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG festgelegt sei, dass eine Dienststelle auf Verlangen einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung der Arbeitgeber in ihrem Intranet auf den Internetauftritt der Gewerkschaft oder der Arbeitgebervereinigung zu verlinken habe. Denn das finde „im Anwendungsbereich des BetrVG keine analoge Anwendung“.
Dagegen klagte die Gewerkschaft – fand aber vor dem BAG damit kein Gehör. Der Erste Senat entschied im Revisionsverfahren vielmehr:
„Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte – mangels Tätigwerdens des Gesetzgebers – bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren konfligierenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in den Blick zu nehmen.
Sie haben alle betroffenen Positionen im Weg der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie trotz ihres Gegensatzes für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Hiervon ausgehend blieb der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag erfolglos. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine – die kollidierenden Verfassungswerte ausgleichende – Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit.
Auch der hilfsweise Klageantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Die mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen jeweils einhergehenden Belastungen der Beklagten beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen – schon jeweils für sich genommen – ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme.
Das Abwägungsergebnis hat nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgte Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar. […]
Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag war unbegründet. Die Klägerin konnte ihr Begehren mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz nicht auf eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG stützen. Ob sich ein solches Begehren grundsätzlich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben kann, konnte der Senat offenlassen. Jedenfalls kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets angebracht wird.“
Für Arbeitsrechtexpertinnen und -experten kommt die Entscheidung indes nach Wahrnehmung unserer Redaktion nicht gänzlich unerwartet: So hatte seinerzeit u.a. der Arbeitsrechtler Dirk Lenzing betont:
„Soweit § 2 Abs. 2 BetrVG ausschließlich den körperlichen Zutritt einer Gewerkschaft auf das Betriebsgelände erlaubt, lassen sich daraus keine weiteren Arbeitgeberpflichten ableiten. Der Gesetzgeber hat den Arbeitgebern, vereinfacht gesagt, keine weiteren Pflichten auferlegt als das Betriebstor zu öffnen und den Zutritt der Gewerkschaft und ihrer Vertreter zu dulden.”
Die Gretchenfrage sei, ob ein Arbeitgeber in Zeiten leerer Betriebsstätten und verwaister schwarzer Bretter verpflichtet ist, hier quasi auszuhelfen und einer Gewerkschaft – letztlich zur Werbung – betriebliche E-Mail-Adressen zur Verfügung zu stellen? Das Bundesarbeitsgericht habe dazu in der Vergangenheit betont, so Lenzing, dass “die Nutzung von E-Mails und das Betreten des Betriebs so verschiedene Dinge seien, dass eine Analogie nicht in Betracht komme”.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.0.2025 (Az.: 1 AZR 33/24).
Vorinstanz: Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg 26.09.2023 (Az.: 7 Sa 344/22).




