Die nominalen Tariflöhne haben sich 2023 nach Angaben des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung positiv entwickelt. Das Plus lag im Durchschnitt bei 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bedingt durch die Inflationsrate von rund 6 Prozent sind die Reallöhne im Schnitt jedoch um 0,4 Prozent zurückgegangen, so eine vorläufige Jahresbilanz.

Im laufenden Jahr konnte die Kaufkraft der Tarifbeschäftigten annähernd gesichert werden, kommentiert Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs, die Daten der Jahresbilanz. Er weist freilich auch darauf hin, dass die Reallohnverluste der letzten beiden Jahre „nicht innerhalb einer einzigen Tarifrunde ausgeglichen werden können“. Unterm Strich befinden sich die Tariflöhne preisbereinigt wieder auf dem Stand des Jahres 2016, unterstreicht das Tarifarchiv den Status quo.

Die WSI-Wissenschaftler weisen darauf hin, dass in den meisten Tarifabschlüssen des Jahres 2023 Inflationsausgleichsprämien vereinbart worden sind. Diese seien sehr unterschiedlich ausgefallen und wurden daher in der vorläufigen Jahresbilanz als Bruttoeinmalzahlungen berücksichtigt.

Mit der Inflationsprämie sind Ersparnisse bei der Steuer und den Abgaben verbunden. Um diese bewerten zu können, hat das WSI-Tarifarchiv nach eigenen Angaben auf Basis der durchschnittlichen Steuer- und Abgabenquote Modellrechnungen für einzelne Tarifbranchen durchgeführt. Unter Berücksichtigung dieser Ersparnisse steigen die Tariflöhne im Öffentlichen Dienst tatsächlich um 9,8 Prozent. Ohne diesen Effekt läge die Nominalsteigerung bei deutlich geringeren 6,8 Prozent.

„Die steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämien haben 2023 in vielen Tarifbranchen dazu beigetragen, dass Reallöhne … teilweise auch deutlich angehoben werden konnten“, so Schulten. Diese Einmalzahlungen werden sich allerdings in den Folgejahren mit ihrem Auslaufen dämpfend auf die Entwicklung der Löhne auswirken.

Das Institut betont die soziale Komponente der Inflationsprämien. Diese hätten besonders bei den unteren Tariflohngruppen zu einer überproportionalen Lohnerhöhung geführt. Verstärkt worden sei dieser Effekt in vielen Tarifabschlüssen zudem durch eine Kombination von prozentualen Tariferhöhungen mit festen Mindestbeträgen beim Lohnzuwachs. Dies habe ebenfalls in den unteren Lohngruppen zu überproportionalen Erhöhungen bei den Tarifen geführt.

WSI-Experte Schulten vermutet mit Blick auf die rückläufigen Inflationsraten, dass die Tarifrunden 2024 entspannter werden könnten. Dem stünde jedoch ein Nachholbedarf bei den Reallöhnen gegenüber, schränkt er ein und verweist auf die Bedeutung steigender Reallöhne: Die seien auch deshalb wichtig, um die schwache Konjunkturentwicklung zu stabilisieren.

Die Tarifvereinbarungen für rund 14,8 Millionen Beschäftigte lieferten dem Tarifarchiv die Basis für das Berechnen der durchschnittlichen Tariferhöhungen. Eingeflossen sind neben den neuen Abschlüssen aus 2023 die Tarifabschlüsse aus den Vorjahren, die im aktuellen Jahr wirksam wurden. Alles zusammen ergibt dann die durchschnittliche Nominalerhöhung der Tariflöhne von 5,6 Prozent.

Die vorläufige Jahresbilanz 2023 des WSI-Tarifarchivs kann auf den Seiten des WSI abgerufen werden.

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