Nachdem Rechtsänderungen auf Bundesebene in 2018 u.a. wegen der zähen Regierungsbildung bis zum Sommer eher Mangelware blieben, war der Gesetzgeber jüngst deutlich aktiver. Entsprechend gab es zum Jahreswechsel erneut allerlei Neuerungen, die für Arbeitnehmer und Betriebsräte von Bedeutung sind. Wir stellen hier die wichtigsten Themen vor:
I. Arbeitsrecht und Mindestvergütung
Neu ist hier v.a. die im Oktober 2018 vom Bundestag beschlossene Brückenteilzeit. Damit können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 2019 ohne besondere Gründe ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zwischen einem und fünf Jahren verringern. Nach Ablauf haben sie dann einen Anspruch, wieder im ursprünglichen Umfang zu arbeiten.
Wehmutstropfen dabei: Der Anspruch gilt nur für Firmen, in denen ein Arbeitgeber regelmäßig mehr als 45 Menschen beschäftigt. Beschäftigte in Kleinbetrieben – d.h. auch: viele Frauen – können von der Regelung also nicht profitieren. Für Unternehmen mit 46 bis 200 Arbeitnehmern gibt es zudem eine sog. Zumutbarkeitsgrenze, d.h. der Arbeitgeber darf einen Antrag auf Brückenteilzeit (nicht aber auf ‚normale‘ Teilzeit) ablehnen, wenn bereits eine gewisse Zahl an Mitarbeitern Brückenteilzeit in Anspruch nimmt. Als Faustregel gilt: Pro angefangenen 15 Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber nur einem Arbeitnehmer Brückenteilzeit gewähren.
Neue Pflichten für Firmen bringt eine Änderung des § 7 Abs. 2 TzBfG. Dieser sieht künftig vor, dass der Arbeitgeber „mit dem Arbeitnehmer dessen Wunsch nach Veränderung von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu erörtern“ hat. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer kann zudem ein Betriebsratsmitglied zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen. Veränderungen gibt es auch bei der Arbeit auf Abruf, also Verträgen, bei denen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur entsprechend des anfallenden Arbeitsaufkommens zu erbringen hat.
Im neu eingeführten § 12 Abs. 2 TzBfG wird hier – was theoretisch mehr Planungssicherheit für Arbeitnehmer bringt – geregelt, dass Arbeitgeber künftig nur bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen dürfen. Zudem darf die vertragliche Höchstarbeitszeit nur um bis zu 20 Prozent pro Woche unterschritten werden. Sofern keine Dauer vertraglich festgelegt ist, gilt fortan eine wöchentliche Arbeitszeit von zwanzig Stunden als vereinbart – bei dem dann gültigen Mindestlohn (s.u.) macht das mindestens 183,80 EUR pro Woche.
Konkretisiert wird für diese Arbeitsverhältnisse auch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Laut Gesetz dient hier als Referenzzeitraum zur Berechnung künftig die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Der gesetzliche Mindestlohn steigt ab 01.01.2019 auf 9,19 EUR die Stunde. Für 2020 ist eine Anpassung auf 9,35 EUR geplant. Das kommt Vollzeitbeschäftigte in eher gering vergütenden Branchen zugute. Geringfügig Beschäftige (Mini-Jobber), die Mindestlohn erhalten, haben aber u.U. zwar eine Lohnerhöhung, aber nicht unbedingt mehr Geld im Portemonnaie. Denn Experten gehen davon aus, dass wegen der gestiegenen Stundenvergütung in vielen Fällen die maximal mögliche Arbeitszeit im Monat sinkt.
Zudem ist die Gründung von Betriebsräten bei Fluglinien erleichtert worden. Während das Betriebsverfassungsgesetz bislang ausschließlich für Airline-Mitarbeiter am Boden vollständig Anwendung findet, kann das Kabinenpersonal (Piloten und Flugbegleiter) laut § 117 Abs. 2 BetrVG faktisch bislang nur dann eine Arbeitnehmervertretung gründen, wenn ein entsprechender Tarifvertrag existiert. Das Bundeskabinett hat das nun geändert.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird es 2019 zudem Änderungen im Bereich der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen geben. Laut Koalitionsvertrag sollen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten in Zukunft nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen dürfen und die Dauer auf 18 statt 24 Monate beschränkt werden. Die SPD hat von der Union jüngst eingefordert, dass eine entsprechende Änderung bis zur parlamentarischen Sommerpause im kommenden Jahr verabschiedet wird. Auch Kettenbefristungen sollen eingeschränkt werden.
Auf den Weg gebracht hat das Kabinett hingegen bereits das sog. Qualifizierungschancengesetz. Geplant ist, die Weiterbildungsförderung für Beschäftigte und Arbeitsuchende zu erweitern und die Weiterbildungs- und Qualifizierungsberatung (v.a. über die Bundesagentur für Arbeit) auszubauen.
II. Sozialabgaben zur Kranken-, Renten-, Pflege und Arbeitslosenversicherung
Änderungen wird es auch für Midi-Jobber geben, also Menschen, deren Verdienst in der sog. Gleitzone (neue Bezeichnung: Übergangsbereich) liegt. Bislang zahlen sie für Einkünfte zwischen 450,01 EUR bis 850,00 EUR weniger Sozialabgaben. Künftig sollen die vollen Beitragssätze erst ab 1.300,00 EUR fällig werden.
Zur konkreten Berechnung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts in der Gleitzone dient dabei der sog. Faktor F, der in 2019 auf 0,7566 steigt. Die Formel zur Berechnung lautet daher gemäß § 163 Absatz 10 SGB VI ab 2019:
In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es 2019 eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung. Demzufolge zahlen Arbeitgeber und Beschäftigte die GKV-Beiträge künftig wieder zu gleichen Teilen – und zwar nicht nur (wie bislang) den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent, sondern auch den individuellen Zusatzbeitrag, den jede Krankenkasse selbst bestimmt.
Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung sinkt ab dem Jahreswechsel von 3 Prozent auf 2,6 Prozent.
Zugleich wird allerdings der Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozent angehoben: Versicherte, die Kinder haben, zahlen dann 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, Kinderlose 3,3 Prozent.
Die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung steigt auf 54.450,00 EUR jährlich bzw. 4.537,50 EUR pro Monat. Für die Renten- und Arbeitslosenversicherung erhöhen sich die Werte auf 80.400,00 EUR pro Jahr bzw. 6.700,00 EUR monatlich für den sog. Rechtskreis West (alte Bundesländer & Ex-West-Berlin) sowie 73.800,00 p.a. und 6.150,00 EUR im Monat für den sog. Rechtskreis Ost (neue Bundesländer & Ex-Ost-Berlin).Die Bezugsgröße, die wichtig ist zur Berechnung verschiedenen Werte in der Sozialversicherung, steigt auf 3.115 EUR je Monat bzw. 37.380 EUR jährlich; die Bezugsgröße Ost auf 2.870 EUR bzw. 34.440 EUR p.a.
Viele Arbeitnehmer erhalten vom Arbeitgeber Sachbezüge – also Einkünfte, die nicht in Geld gewährt werden, aber dennoch zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören. Um den entsprechenden geldwerten Vorteil zu berechnen, definiert der Gesetzgeber Sachbezugswerte. Ab Januar 2019 gilt in punkto freie Verpflegung Folgendes
Beschäftigte: | Wert in EUR: | Frühstück: | Mittagessen: | Abendessen: | Gesamt: |
Arbeitnehmer / Azubi | je Kalendertag |
1,77 |
3,30 |
3,30 |
8,37 |
monatlich |
53,00 |
99,00 |
99,00 |
251,00 |
Für freie Unterkunft gilt:
Beschäftigte: | Wert in EUR: | Unterkunft: | Arbeitgeberhaushalt / Gemeinschaftsunterkunft: |
Arbeitnehmer | je Kalendertag |
7,70 |
6,54 |
monatlich |
231,00 |
196,35 |
|
Azubi | je Kalendertag |
6,54 |
5,39 |
monatlich |
196,35 |
161,70 |
Überdies gibt es in der Sozialversicherung noch eine formale Änderung, die von Bedeutung ist: Demnach gilt eine Anstellung als kurzfristige Beschäftigung, wenn sie im Verlauf eines Kalenderjahres höchstens drei Monate oder insgesamt 70 Arbeitstage andauert. Die Vorgabe sollte ursprünglich 2018 auslaufen, wird nun aber auf Dauer verankert.
III. Einkommensteuer, Kindergeld und Betriebsrenten
Das „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (ursprünglich Jahressteuergesetz 2018) bringt bei der Einkommensteuer einige Änderungen für Arbeitnehmer. So werden Jobtickets steuerfrei und auch bei der privaten Nutzung von Dienst-E-Bikes und Fahrrädern entfällt künftig die Pflicht zur Versteuerung eines geldwerten Vorteils.
Das Kindergeld erhöht sich ab Juli um je 10 EUR pro Monat für das erste und zweite Kind auf 204 EUR, das dritte Kind auf 210 EUR und das vierte (und jedes weitere) Kind auf 235 EUR. Bereits zum Januar wird der Kinderfreibetrag von bislang 7.428 EUR auf 7.620 EUR angehoben. Der Grundfreibetrag und Unterhaltshöchstbetrag steigen auf 9.168 EUR.
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde zudem eine Änderung bei der betrieblichen Altersvorsorge eingeführt. Wer einen neuen Vertrag mit Entgeltumwandlung abschließt, hat Anspruch auf einen 15-prozentigen Zuschuss des Arbeitgebers – allerdings nur, wenn in einen Pensionsfond, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung eingezahlt wird. Ab 2022 wird es die Zuschüsse dann auch für Altverträge geben.