In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg ging es um eine Firma. in der Anfang November 2020 eine Betriebsvereinbarung (BV) zu einem Freiwilligenprogramm abgeschlossen worden war. Diese regelte u.a. einen Abfindungsanspruch von bis 250.000 EUR für Arbeitnehmer, die das Unternehmen aus freien Stücken verlassen. Ferner hatten die Betriebsparteien eine sog. Turboprämie vereinbart, d.h. eine Zusatzzahlung für Beschäftigte, die sich besonders schnell zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereit erklären.
Aushang rügt mutmaßliche Pflichtverstöße
Im Frühjahr 2022 soll ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, das die BV federführend mit ausgehandelt hatte, dann gegenüber dem Personalleiter angeblich seine Bereitschaft zum Ausscheiden erklärt und dafür eine Abfindungssumme von 750.000 bzw. später 360.000 EUR ins Spiel gebracht haben. Der Arbeitgeber beantragte im Juni 2022 beim Arbeitsgericht Coburg mit Verweis darauf den Ausschluss des Mannes aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner Pflichten. Zugleich veröffentlichte die Firma unter dem Titel „Betriebsrat missbraucht Vertrauen“ Aushänge, in denen die Belegschaft über den Ausschlussantrag informiert wurde. Weiter heißt es laut LAG in dem Dokument:
„Der Betriebsrat hatte für sein eigenes Ausscheiden aus unserer Firma eine Abfindung in Höhe von 750.000 Euro verlangt, wogegen er selbst für unsere Mitarbeiter eine maximale Abfindung in Höhe von 250.000 Euro verhandelt hatte. Nach der Betriebsratswahl reduzierte er seine Forderung auf 360.000 Euro.
Wir sehen es als Missbrauch der Verantwortung gegenüber unserer Belegschaft an, wenn ein Betriebsrat aus seiner Stellung einen derartigen persönlichen Vorteil zu ziehen versucht und sich damit über die Interessen der von ihm vertretenen Belegschaft stellt.
Dieser Verstoß gegen das Verbot der Begünstigung lässt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der Arbeitnehmer – wie es das Betriebsverfassungsgesetz im § 2 Abs. 1 verlangt – nach Meinung unserer Firmenleitung nicht zu.“
Ähnliche Aussagen wurden später auf einer Betriebsversammlung wiederholt. Zudem war der Text laut LAG zwischenzeitlich auch im standortübergreifenden Intranet und einer firmeninternen App in anderen Betrieben abrufbar.
Unterlassungsantrag gegen Arbeitgeber
Dagegen wehrte sich der Mann und beantragte vor dem Arbeitsgericht Bamberg seinerseits, dem Arbeitgeber aufzugeben, den Text per Intranet, App und Aushang nicht mehr zu verbreiten. Nicht nur seien die Aussagen falsch, sie seien auch Ruf schädigend und behinderten ihn in seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied. Dies, zumal ihn der Hinweis auf die Verhandlungen eindeutig identifiziere. Angesprochen auf eine mögliche Teilnahme am Freiwilligenprogramm – vor allem für den Fall, dass er bei der Betriebsratswahl 2022 nicht wiedergewählt würde – habe er vielmehr klargestellt, das komme für ihn nicht in Frage, „nicht einmal für 1,5 Millionen Abfindung“.
Der Arbeitgeber bestritt hingegen nach Gerichtsgaben ein Fehlverhalten. Das Dokument habe sich „nicht gegen den Betriebsrat, sondern gegen ein namentlich nicht genanntes Mitglied des Gremiums“ gerichtet. Das sei zulässig und umfasse auch keine „Prangerwirkung“.
Nachdem das Betriebsratsmitglied erstinstanzlich mit seinem Unterlassungsantrag Erfolg gehabt hatte, entschied auch das LAG größtenteils zugunsten des Mannes. Der Arbeitgeber, so die Richter, habe „kein berechtigtes Interesse“ gehabt, die Aussagen betriebsöffentlich zu machen – schon gar nicht im „über den Betrieb hinaus einsehbaren Intranet“ oder anderen Medien. Denn selbst wenn die angeblichen Aussagen zu Abfindungssummen so gefallen sein sollten, seien sie „erkennbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ gewesen. Der Arbeitgeber habe die Wortwechsel „als vertraulich ansehen müssen“, da es um ein individuelles Arbeitsverhältnis und dessen etwaige Auflösung gegangen sei. Insofern „ist schon im Ansatz kein Bedürfnis erkennbar“, was das die Belegschaft anginge.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit verletzt, Betriebsratstätigkeit behindert
Laut der Kammer gebiete es der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG), „den Betriebspartner nicht gegenüber – nicht am direkten betriebsverfassungsrechtlichen Verhältnis beteiligten – Dritten schlecht zu machen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Betriebsratsmitgliedern zu unterlassen“. Daran habe sich der Arbeitgeber hier aber nicht gehalten.
Denn die Verlautbarungen der Firma ließen „bei den Lesern den Eindruck entstehen, dass hier eine schwere Verfehlung eines Betriebsrats“ vorliege und gingen damit „über eine angemessene und sachliche Kommentierung weit hinaus“.
Vielmehr sei angesichts dessen sei „zu erwarten, dass das Betriebsratsmitglied in Rechtfertigungsdruck gerät und dass das Vertrauen der Belegschaft und damit dessen Amtsführung beschädigt wird“. Und das wiederum führe zu einer unzulässigen Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds i.S.v. § 78 BetrVG bzw. bedeute „eine objektive Behinderung der Betriebsratstätigkeit“.
Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.11.2022 (Az.: 1 TaBVGa 4/22).
Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 22.07.2022 (Az.: 3 BVGa 2/22).