Ein Langzeitarbeitsloser verhält sich nicht sozialwidrig, wenn er ein Arbeitsverhältnis nach einem Jobangebot ohne eigene Schuld nicht antreten kann. So entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen kürzlich (Az.: L 11 AS 336/21).

Dem Urteil vorausgegangen war die Klage eines schwerbehinderten Mannes aus Osnabrück, der bis zum Jahr 2003 als Buchhalter tätig war. Ab diesem Zeitpunkt, der Kläger war damals 41 Jahre alt, wechselten sich Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Hilfsarbeiten ab. Regelmäßig bewarb sich der Langzeitarbeitslose als Buchhalter – ohne Erfolg.

Ab dem Jahr 2017 war das Jobcenter nicht mehr bereit, noch länger die Fahrtkosten zu Bewerbungsgesprächen zu übernehmen. Begründet wurde die Ablehnung der Kostenübernahme mit dem Argument, „es müsse ein Strategiewechsel“ stattfinden. Denn der Beschäftigungssuchende werde insbesondere zu Vorstellungsgesprächen aufgrund „seiner Gleichstellung als Schwerbehinderter eingeladen“. Zudem seien Bewerbungen als Buchhalter nach so einer langen Zeit der Suche nicht mehr erfolgversprechend.

Jobangebot, aber kein Geld für Umzug

Das aus Sicht des Jobcenters Unwahrscheinliche trat ein: Der Langzeitarbeitslose erhielt im Jahr 2019 bei einer Behörde in Düsseldorf einen Arbeitsvertrag. Doch der Mann konnte die neue Stelle nicht antreten. Das Jobcenter lehnte die Mietkaution für eine neue Wohnung in Düsseldorf ab. Der Mann konnte weder umziehen noch aus dem Raum Osnabrück pendeln.

Da der Langzeitarbeitslose „nicht zum Einstellungstermin erschienen sei und damit vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert habe“, machte das Jobcenter bei dem Betroffenen eine Erstattungsforderung wegen sozialwidrigen Verhaltens geltend. Das Jobcenter verlangte eine Rückzahlung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von rund 6.800 EUR. Gegen diese Forderung klagte der Mann.

Er argumentierte, „der fehlende Arbeitsantritt habe nicht in seinem Verschulden gelegen“. Mangels finanzieller Mittel habe er den Mietvertrag in Düsseldorf nicht unterschreiben können und aus seinem alten Mietvertrag sei er noch nicht entlassen gewesen“.

Das LSG Niedersachsen-Bremen unterstrich die Rechtsauffassung des Klägers. Da das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt habe, war es dem Kläger mangels eigener Finanzkraft nicht möglich, eine Wohnung am künftigen Beschäftigungsort anzumieten. Dem Mann könne folglich kein sozialwidriges Verhalten und damit ein unrechtmäßiges Verhalten im Sinne eines objektiven Unwerturteils vorgeworfen werden, weil er eine außerhalb des Tagespendelbereichs liegende Arbeitsstelle nicht angetreten habe.

Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 26.01.2023 (Az.: L 11 AS 336/21).

Vorinstanz: Urteil des Sozialgerichts Osnabrück 17.06.2021 (Az.: S 23 AS 231/20).

 

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