Arbeitgeber müssen gemäß § 40 BetrVG für Sachaufwand und Kosten des Betriebsrats aufkommen – allerdings nur „in erforderlichem Umfang“. In dem Prozess stritten die Betriebsparteien darüber, ob und inwieweit das auch für anwaltliche Schreiben zur Durchsetzung eines Schulungsanspruches während der Corona-Pandemie gilt – und wer für eine zuvor bereits beglichene Rechnung aufkommen muss.
Arbeitgeber lehnt Seminarteilnahme ab, Betriebsratsmitglied reagiert
Konkret hatte ein örtlicher Betriebsrat entschieden, ein Mitglied – das seit gut 30 Jahren als Busfahrer für die Firma arbeitete – zu einem arbeitsrechtlichen Grundlagenseminar sowie einer Datenschutzschulung zu entsenden. Eine Kostenübernahme dafür lehnte der Arbeitgeber im März 2020 jedoch ab: in einem Fall mit Verweis auf angeblich bestehende Reiserestriktionen, im anderen Fall mit dem Vorschlag, ein firmenseitiges Inhouseseminar anzubieten.
Nachdem eines der Seminare sicherheitshalber verschoben worden war, beschloss der Betriebsrat Mitte Mai 2020 erneut eine Entsendung des Kollegen, damit dieser zum neu angesetzten Termin teilnehmen könne. Kurz darauf schrieb der Anwalt des Gremiums im Namen des Mitglieds den Arbeitgeber an, um einerseits eine Zustimmung einzufordern und andererseits den Vorschlag der Inhouseschulung unter Verweis auf den Ermessensspielraum des Betriebsrates zu verwerfen.
Als dann für die Schriftsätze eine Rechnung über Anwaltshonorar in Höhe von 413,90 EUR netto in der Firma einging, leitete diese das Dokument an den Betriebsrat weiter und wies per Mail darauf hin, das schulungswillige Mitglied müsse (persönlich) bezahlen, da es keinen Beschluss über die Mandatierung des Anwaltes gebe. Der Arbeitnehmer reagierte darauf jedoch nicht und das Unternehmen beglich die Rechnung.
Lohn um Anwaltshonorar gekürzt
Vor Gericht ging die Sache, da der Busfahrer auf seiner Lohnabrechnung für Dezember eine Position „Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht“ entdeckte und feststellte, dass er 413,90 EUR weniger ausgezahlt bekommen hatte. Mit seiner Klage verlangte er, der Arbeitgeber müsse das Geld zurückzahlen, da eine solche Verrechnung unzulässig sei.
Das sah das Arbeitsgericht Stade erstinstanzlich anders und entschied, dass die Beauftragung des Anwalts „nicht erforderlich“ gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG war. Der Firma stehe daher „ein Rückforderungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu“, seien doch die vermeintlichen Kosten des Betriebsrats ohne wirksames Mandat entstanden. Dagegen ging das Betriebsratsmitglied in Berufung – und hatte Erfolg:
Laut der 9. Kammer ist ein Arbeitgeber in derlei Fällen eben „nicht berechtigt, von ihm gezahlte Kosten des Betriebsrats i.S.v. § 40 BetrVG im Wege der Aufrechnung von dem betroffenen Betriebsratsmitglied zurückzuverlangen, nachdem er die – nicht erforderlichen – Kosten zunächst übernommen hat“. Grund dafür sei, dass Regelungen zur sog. Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) hier „durch §§ 2 Abs 1, 40 Abs 1, 78 Satz 2 BetrVG verdrängt“ würden.
Das bedeute – auch angesichts des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsparteien (§ 2 BetrVG) – im Hinblick auf die Kostenübernahme für Betriebsratsarbeit konkret, dass ein Gremium
- entweder „die Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen“ oder
- „seinen Freistellungsanspruch an einen beauftragten Prozessbevollmächtigten abtreten“ kann, „der seine Kosten dann direkt mit dem Arbeitgeber abrechnet“.
Anschließend könne der Arbeitgeber „vor Erstattung der Kosten prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorliegen“. Sofern er das nicht als gegeben ansieht, „mag er die Übernahme der Kosten verweigern“, so die Richter.
Benachteiligungsverbot missachtet
Ausgeschlossen sei hingegen, „dass der Arbeitgeber (aus welchen Gründen auch immer) die Tilgung der Schuld an sich zieht und dann über eine individualrechtliche Maßnahme, nämlich den Abzug der Rechnung von der Nettovergütung des Arbeitnehmers vornimmt“.
Das nämlich führe zu einer unzulässigen Benachteiligung des betroffenen Betriebsratsmitglieds i.S.v. § 78 BetrVG. Schließlich würden Arbeitnehmervertreter so „wegen ihrer Tätigkeit innerhalb der Betriebsverfassung“ gegenüber anderen Arbeitnehmern schlechter gestellt, ohne dass das sachlich begründet sei.
Zudem müsse berücksichtigt werden, „dass in einzelnen Fällen das Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte auch ohne Beschluss des Gremiums einen Prozessbevollmächtigten beauftragen kann“. Ob das für die Durchsetzung von Schulungsansprüchen gelte, könne in diesem Fall „offenbleiben“.
Im Ergebnis habe der Kläger Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Vergütung – und zwar unabhängig davon, ob die Beauftragung des Anwalts letztlich erforderlich war.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30.08.2022 (Az.: 9 Sa 945/21).
Vorinstanz: Urteil des Landesarbeitsgerichts Stade vom 02.09.2021 (Az.: 1 Ca 177/21).
Info
Als Geschäftsführung ohne Auftrag definiert es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 677 ff., wenn jemand „ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt“ bzw. verpflichtet zu sein. Aus Sicht des Arbeitsgebers galt das hier für das Eingreifen des Anwaltes zugunsten des Betriebsratsmitglieds.