In dem Verfahren ging es im Kern um die Frage, ob Einstellungen und Versetzungen im Bereich der Kita- und Schulassistenz in einer karitativen Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung mitbestimmungspflichtig sind. Während der Betriebsrat das so sah und deshalb rügte, er sei bei verschiedenen personellen Einzelmaßnahmen übergangen und zu Unrecht nicht angehört worden, widersprach der Arbeitgeber: Die fraglichen Mitarbeiter seien Tendenzträger i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, weshalb das Mitbestimmungsrecht aus § 99 BetrVG gar nicht greife.
Entscheidungs- und Handlungsspielräume ausschlaggebend
Diese Rechtsauffassung verwarf das Arbeitsgericht jedoch und entschied, dass die Einrichtung die fraglichen Personalmaßnahmen wegen Verstoß gegen die Mitbestimmung gemäß § 101 Satz 1 BetrVG aufzuheben habe.
Zur Begründung heißt es in dem Beschluss u.a., die fraglichen Beschäftigten hätten „keinen ausreichenden Entscheidungs- und Handlungsspielraum für eigene Vorstellungen“, um als Tendenzträger zu gelten. Denn selbst wenn sie im Schul- oder Kitalltag eine (pädagogische) Maßnahme für ein Kind sinnvoll fänden, wären sie „nicht in der Lage, die Maßnahme eigenmächtig durchzusetzen“. Vielmehr müssten sie „in enger Beziehung und Abhängigkeit von der Zustimmung der Schule bzw. der Lehrer“ agieren. Zudem seien Hilfe- und Teilhabepläne zu beachten.
Deshalb, so das Fazit der Kammer, „können die betroffenen Beschäftigten nicht als Tendenzträger angesehen werden“, sodass „das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG zur Anwendung kommt“.
Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.01.2023 (Az.: 3 BV 96/22).
Info
Um als sog. Tendenzbetrieb zu gelten, müssen in einem Betrieb unmittelbar und überwiegend politische, koalitionspolitische, konfessionelle, karitative, erzieherische, wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke verfolgt werden. Ist das der Fall, kommen bestimmte Regelungen aus dem BetrVG und damit Rechte des Betriebsrates nicht zur Anwendung (vgl. dazu unsere Kommentierung zu § 118 BetrVG).Gleichzeitig ist nicht jede(r) Beschäftigte in einem solchen Betrieb Tendenzträger. Denn dafür kommen laut Rechtsprechung nur Arbeitnehmer in Betracht, die unmittelbar und maßgeblich an der Tendenzverwirklichung beteiligt. Entsprechend hat ein Betriebsrat – analog zur obigen Entscheidung – z.B. auch im Fall der Versetzung einer Erzieherin in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung mitzubestimmen, wenn diese keinen prägenden Einfluss auf die Erfüllung der Zwecke des Tendenzunternehmens hat (LAG Nürnberg, 19.01.2007 – 8 TaBV 30/06). Zudem müssen solche Tätigkeiten „einen bedeutenden Anteil an der Gesamtarbeitszeit umfassen“ (BAG, 14.05.2013 – 1 ABR 10/12).