Ein Betriebsrat kann laut § 93 BetrVG verlangen, dass offene Stellen zunächst innerbetrieblich ausgeschrieben werden. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber dies tun, „bevor er eine Entscheidung über deren Besetzung trifft“ und das Gremium um Zustimmung zu der geplanten Maßnahme bittet. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt. Grundsätzlich nicht ausreichend sei hingegen, die Ausschreibung erst während eines gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nachzuholen (1 ABR 16/21).

In dem konzernangehörigen Betrieb, der sich mit (datengetriebenem) Response- und Direktmarketing beschäftigt, stritten der Arbeitgeber und der Betriebsrat über mehrere Versetzungen sowie eine mögliche Ersetzung der Zustimmung des Gremiums zu diesen personellen Einzelmaßnahmen. 2010 hatten die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung zum Thema interne Stellenausschreibung abgeschlossen, die vorsah, dass alle offenen Positionen grundsätzlich zunächst im Betrieb angeboten würden. Ausnahmen waren nur einvernehmlich möglich. 2013 wurde die Regelung firmenseitig gekündigt.

Gekündigte Betriebsvereinbarung…

Als der Arbeitgeber dann Mitte Mai 2018 im Zuge einer betrieblichen Neuorganisation insgesamt zwölf Arbeitnehmer – zunächst vorläufig – versetzen und ihnen die Funktion als sog. Senior Professional zuweisen wollte, verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung. Zum einen sei er im Vorfeld nicht ordnungsgemäß und vollständig unterrichtet worden, zum anderen habe die Firma entgegen § 93 BetrVG keine interne Stellenausschreibung vorgenommen. Ferner seien das Vorhaben nicht eilbedürftig, d.h. keine vorläufigen personellen Einzelmaßmaßnahmen vonnöten.

Damit gab sich der Arbeitgeber nicht zufrieden und leitete ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Während das Arbeitsgericht Siegburg dem Betriebsrat dabei erstinstanzlich Recht gab, da die unterbliebene interne Stellenausschreibung ein zulässiger und tragfähiger Grund für eine Zustimmungsverweigerung i.S.d. §§ 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG sei, entschied das Landesarbeitsgericht Köln später zugunsten des Arbeitgebers. Weil die Betriebsvereinbarung gekündigt worden war, hätte der Betriebsrat aus Sicht der dortigen Kammer „vor der konkreten Maßnahme“ explizit eine Ausschreibung der Stellen verlangen müssen. Das aber sei nicht geschehen. Außerdem habe die Firma die Positionen zwischenzeitlich vorsorglich intern ausgeschrieben.

…hebelt § 93 BetrVG nicht in Gänze aus

Gegen diese Entscheidung legte der Betriebsrat Rechtsbeschwerde beim BAG ein und obsiegte. Denn nach Auffassung des Zehnten Senat hatte das Gremium wirksam eine Ausschreibung der Arbeitsplätze verlangt. Mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung könne der Arbeitgeber nämlich „nicht das zugleich im Abschluss der Betriebsvereinbarung liegende – ggf. auf eine bestimmte Art von Stellen beschränkte – Verlangen des Betriebsrats beseitigen, freie Stellen auszuschreiben“. Vielmehr gewähre § 93 BetrVG, sofern geltend gemacht, „einen entsprechenden Rechtsanspruch“, dem sich „der Arbeitgeber nicht – auch nicht durch Kündigung – entziehen“ könne.

Zudem könne die interne Ausschreibung von offenen Jobs „grundsätzlich nicht“ später – etwa während eines Zustimmungsersetzungsverfahrens – nachgeholt werden, betonten die Richter in Erfurt. Denn „Sinn und Zweck des § 93 BetrVG“ verlangten „die Durchführung des innerbetrieblichen Ausschreibungsverfahrens, bevor der Arbeitgeber die Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle trifft und den Betriebsrat um eine entsprechende Zustimmung ersucht“. Andernfalls drohe die Gefahr, dass „die gesetzlichen Ziele, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren und die Transparenz des Stellenbesetzungsvorgangs zu gewährleisten, beeinträchtigt werden“. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts halte insofern „der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand“.

Insgesamt habe der Betriebsrat damit seine Zustimmung zu den geplanten Versetzungen „zu Recht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigert“.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 11.10.2022 (1 ABR 16/21).

Vorinstanz: Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.08.2020 (Az.: 10 TaBV 8/19).

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