Arbeitgeber können die Zahlung von Zuschlägen nach einem Betriebsübergang nicht allein mit Verweis auf vermeintliche frühere Abrechnungsfehler einstellen. Denn laut Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen kann eine betriebliche Übung auch dann entstehen, wenn eine Position in der Entgeltabrechnung umbenannt wird und nicht mehr auf vermeintlich zu bedienende tarifliche Ansprüche verweist (Az.: 1 Sa 87/22).

Geklagt hatte ein Rettungssanitäter, der seit 1996 bei der Johanniter-Unfall-Hilfe in Teilzeit beschäftigt war. Laut Gericht arbeitete der Mann in 12-Stunden-Diensten, wobei für das Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung galten. Als das Arbeitsverhältnis später im Zuge eines Betriebsübergangs auf eine gemeinnützige Gesellschaft des Arbeiter-Samariter-Bundes überging, erhielt der Arbeitnehmer für die elfte und zwölfte Stunde jedes Dienstes einen Zuschlag von 65 Prozent des AVR-Überstundensatzes. In der Entgeltabrechnung wurde das mit „Bereitschaft AVR“ ausgewiesen.

Keine Rechtsgrundlage?

Anfang 2015 kam es dann zu einem weiteren Betriebsübergang, wobei der neue Arbeitgeber den Zuschlag zunächst weiter zahlte, diesen in der Lohnabrechnung jedoch als „Bereitschaftszuschlag 65%“ auswies. Im Februar 2021 wurden die entsprechenden Zahlungen dann jedoch eingestellt.

Das begründete die Firma damit, es gebe im Tarifwerk keinerlei Rechtsgrundlage für solche Zuschläge. Denn tatsächlich habe der Mitarbeiter keineswegs Bereitschaftsdienst geleistet, sondern sei während seiner regulären Schicht in Arbeitsbereitschaft gewesen. Dafür aber sähen die AVR keinen Bereitschaftszuschlag vor. Da somit in der Vergangenheit wegen eines Fehlers ausschließlich ein vermeintlicher tarifvertraglicher Anspruch erfüllt worden sei, sei auch keine betriebliche Übung entstanden.

Der Arbeitnehmer sah die Dinge anders und klagte auf Fortzahlung der Zuschläge – mit Erfolg. Denn laut LAG hat der Rettungssanitäter – anders als vom Arbeitsgericht Dresden erstinstanzlich entschieden – „einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung der begehrten Zuschläge aus § 611a Abs. 2 BGB, wobei der vertragliche Anspruch durch konkludentes Verhalten der Parteien nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung entstanden ist“.

Umbenennung von Zuschlag hat Folgen

Die Kammer begründete das u.a. damit, dass der frühere Betriebsübernehmer 2015 den Zuschlag zwar anders bezeichnet habe, der Mitarbeiter dem aber gleichwohl „rechtsgeschäftlichen Erklärungswert beimessen“ durfte. Denn selbst wenn in den Abrechnungen nicht mehr explizit auf die AVR Bezug genommen wurde, durfte der Mann angesichts „der ununterbrochenen Gewährung des Zuschlags seit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte am 1.1.2015 nach Treu und Glauben davon ausgehen, die Beklagte wolle den ‚Bereitschaftszuschlag 65 %‘ als freiwillige Leistung gewähren“. Und könne sich der aktuelle Arbeitgeber nicht einfach lösen. Die Zuschläge seien deshalb als betriebliche Übung auch in Zukunft zu bezahlen

Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom 30.12.2022 (Az.: 1 Sa 87/22).

Vorinstanz: Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.03.2022 (Az.: 6 Ca 963/21).

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