Ende Februar laufen die Tarifverträge zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) aus. Termine für Tarifverhandlungen gibt es noch nicht – manche Beobachter schließen daher Streiks ab März nicht aus. Diese Gelegenheit ergreift der Staatskonzern offenbar, um die Rivalität zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der GDL zu kanalisieren.

Konkret geht es um das sog. Tarifeinheitsgesetz (TEG), das nun nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters bei der Bahn zur Anwendung kommt. Denn in jedem der 300 betroffenen Betriebe soll künftig „nur noch der Tarifvertrag der jeweilig stärksten Gewerkschaft“ gelten. Mit dieser Information entließ die Bahn ihre Beschäftigten ins vergangene Wochenende. Die Regelung entspricht dem Tarifeinheitsgesetz von 2015. Dieses greift, wenn mehrere Gewerkschaften in einem Unternehmen aktiv sind: Scheitert eine andere Vereinbarung, dann gilt der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Organisation.

Bislang gab es bei der Bahn einen Grundlagenvertrag. Danach galten Tarifverträge, die die GDL ausgehandelt hatte, für alle GDL-Mitglieder – unabhängig von ihrem betrieblichen Standort und von der jeweiligen Mitgliederstärke der Gewerkschaft. Dieser Vertrag ist zum Jahresende 2020 ausgelaufen, heißt es in der WirtschaftsWoche. Die Tarifverträge mit der GDL laufen Ende Februar aus. Dann endet auch die Friedenspflicht.

Die EVG hat bereits einen neuen Vertrag mit dem Mobilitätskonzern abgeschlossen: Neben einer Beschäftigungsgarantie wurde ein Lohnplus ab Anfang 2022 von 1,5 Prozent vereinbart. Die GDL hat andere Vorstellungen: Sie fordert 4,8 Prozent mehr auf dem Gehaltszettel und eine einmalige Corona-Hilfe von 1.300 Euro. Bereits im November war eine Schlichtung gescheitert.

Nach Angaben von Reuters ist dieser Tarifkonflikt der Einstieg in die Umsetzung des TEG. Die Bahn habe mitgeteilt, solange es keine andere Vereinbarung mit den Beteiligten gebe, sei man verpflichtet, das Tarifeinheitsgesetz umzusetzen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, das vermutlich mehrere Monate in Anspruch nehmen werde. Denn nicht in jedem Betrieb liegt offensichtlich auf der Hand, welche Gewerkschaft jeweils mehr Mitglieder zählt.

Das bringt für die Beschäftigten möglicherweise Konsequenzen mit sich: Galten nämlich vereinbarte Vergünstigungen aus den Tarifverhandlungen für bestimmte Berufsgruppen konzernweit, so gelten künftig in den Betrieben die geschlossenen Vereinbarungen der jeweils mitgliederstärkeren Gewerkschaft. Aus möglichen Vergünstigungen, die Beschäftigten „aus Abkommen der anderen Gewerkschaft“ gewährt werden, entstehe weder ein Gewohnheitsrecht, noch müssten sie, so Reuters, in irgendeiner Weise zurückgezahlt werden.

Das TEG war von Beginn an umstritten und ist Gegenstand verschiedener Gerichtsprozesse gewesen – u.a. hatte sich das Bundesverfassungsgericht mehrfach mit dem Gesetz befasst (u.a. 2015 und 2017 sowie 2020 im Zusammenhang mit einer Neufassung).

 

 

 

 

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