In dem Fall ging es um ein Eisenbahnunternehmen, das einem Arbeitgeberverband angehört. Dieser Verband hat mit zwei Gewerkschaften – sowohl mit der antragstellenden als auch mit einer weiteren – Tarifverträge abgeschlossen. Diese Tarifverträge beinhalteten u. a. „Regelungen zur Dienst- und Schichtplanung mit unterschiedlich ausgestalteten Tariföffnungsklauseln“.
Zu den Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien gehörte „eine Anwendung des § 4a Abs. 2 TVG bis zum 31. Dezember 2020“. Danach sind bei kollidierenden Tarifverträgen im Unternehmen „die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die (…) die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat (Mehrheitstarifvertrag).“
Im Jahr 2019 einigten sich die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmervertretung des Unternehmens auf eine Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Einsatzplanung. Die antragstellende Gewerkschaft lehnte die Gültigkeit dieser Betriebsvereinbarung für ihre Mitglieder ab. Den Anspruch auf Unterlassung der Durchführung dieser Betriebsvereinbarung begründete die Gewerkschaft mit einem Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG sowie einer Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit. Die Vorinstanzen hatten die Anträge abgewiesen. Zugleich hatte die antragstellende Gewerkschaft hat im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit der Arbeitgeberin im Februar 2022 Nachfolgetarifverträge vereinbart.
Vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts scheiterte die Gewerkschaft jedoch mit ihrer Rechtsbeschwerde. Die Richter verwiesen darauf, dass die Tarifverträge, auf die die Gewerkschaft ihren Unterlassungsanspruch gestützt hat, aufgrund ihrer Ablösung durch die Nachfolgetarifverträge „nicht mehr unmittelbar und zwingend“ gelten würden. Auch konnte die Gewerkschaft den Unterlassungsanspruch „nicht auf § 23 Abs. 3 i.V.m. § 77 Abs. 3 BetrVG“ stützen.
Der Senat habe hingegen, so die Begründung, nicht darüber zu entscheiden gehabt, ob ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG begründen kann. Zwar verstoße die Betriebsvereinbarung gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da im Tarifvertrag der antragstellenden Gewerkschaft die Schicht- und Einsatzplanung bereits geregelt war.
Doch die Vorinstanz – das Landesarbeitsgericht München – habe bereits einen groben Verstoß verneint. Und das sei aufgrund „der schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die sich im Fall der Anwendbarkeit kollidierender Tarifverträge mit unterschiedlichen Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen stellen“ nachvollziehbar. Keine Rolle für die Entscheidung spiele hingegen „die von der Gewerkschaft angeführte Verfassungswidrigkeit des § 4a TVG“.
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2023 (Az.: 4 ABR 4/22).
Vorinstanz: Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 28.04.2021 (Az.: 10 TaBV 51/20).