Im verhandelten Fall hatte eine Arbeitgeberin, die ein Einzelhandelsgeschäft mit 26 wahlberechtigten Mitarbeitenden betreibt, eine einstweilige Verfügung auf Abbruch der für den 20.05.2022 zwischen 12 Uhr und 15 Uhr geplanten Betriebsratswahl gestellt. Einen Betriebsrat gab es bis dato im Kleinbetrieb nicht.
Den Abbruch der Wahl verlangte die Firma, weil der Wahlvorstand das Wahlausschreiben – auf Basis der Wählerliste – nach den Regeln für das sog. normale Wahlverfahren erstellt hatte. Das Arbeitsgericht München gab dem Antrag am 19.05.2022 erstinstanzlich statt und verwehrte die Fortsetzung der laufenden Betriebsratswahl.
Begründet wurde dies damit, „dass ein Abbruch der Wahl nur bei einer Nichtigkeit in Betracht komme und eine voraussichtliche Anfechtbarkeit hierfür nicht genüge.“ Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei „eine Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig“. Genau das aber sei hier gegeben, „da die Betriebsratswahl aufgrund offensichtlicher Verstöße gegen zwingende Wahlvorschriften nichtig sei.“ Da nämlich in dem Kleinbetrieb bislang kein Betriebsrat bestehe, müsse die Wahl des Gremiums „nach § 14 a BetrVG zwingend im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren“ durchgeführt werden.
Wahlvorstand mit Beschwerde erfolgreich
Als dem dreiköpfigen Wahlvorstand der Beschluss dann am 19.05.2022 zugestellt wurde, legte dieser direkt Beschwerde ein und verwies dabei u.a. auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgericht und der Mittelinstanzen zum Thema (z.B. BAG, 27.07.2011 – 7 ABR 61/10 sowie LAG München, 23.04.2018 – 6 TaBVGa 5/18). Ein Abbruch oder eine Aussetzung der Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung sei demnach nur zulässig, wenn bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren erkennbar sei, „dass die Wahl nichtig sein wird“.
Das LAG gab der Beschwerde statt: „Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Wahl abzubrechen ist.“ Zwar seien vom Wahlvorstand unstrittig Fehler gemacht worden. Diese erreichten allerdings „nicht die Qualität, dass eine durchgeführte Wahl nichtig wäre.“ Daher könne kein Abbruch der Betriebsratswahl verlangt werden. Denn, so die Richter, „selbst bei einer sicher erfolgreichen Anfechtbarkeit der Wahl“ müsse diese nicht abgebrochen werden.
Konkret stelle die Wahl des falschen Wahlverfahren zwar „einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften i. S. des § 19 Abs. 1 BetrVG dar“, der ggf. auch das Wahlergebnis beeinflussen könne. Handele es sich dabei aber um Mängel, die für sich genommen zwar eine Anfechtung rechtfertigen, „nicht aber die Wahl als nichtig erkennen lassen, so kann weder die addierte Summe der Fehler noch eine Gesamtwürdigung zur Nichtigkeit führen“.
Das Fazit der LAG-Richter:
„Auch bei der Verwendung der falschen Verfahrensregeln liegt grundsätzlich ein geordnetes Verfahren vor, das nicht gegen die allgemeinen Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl offensichtlich verstößt.“
Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 20.05.2022 (Az.: 5 TaBVGa 2/22).
Vorinstanz: Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 19.05.2022 (Az.: 36 BVGa 20/22).