Wer angesichts einer drohenden Betriebsschließung von sich aus vor Abschluss eines Sozialplans selbst kündigt, kann damit seine Ansprüche auf eine etwaige Abfindung verwirken. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen erneut klargestellt und eine entsprechende Stichtagsregelung als wirksam eingestuft (Az.: 4 Sa 74/22).

In dem Fall ging es um eine Firma, die ihre Belegschaft Ende Juni 2020 in einer Betriebsversammlung darüber informiert hatte, den entsprechenden Betrieb zum 30.04.2022 stilllegen zu wollen. Zugleich wurde den Beschäftigten mitgeteilt, dass Betriebsrat und Arbeitgeber Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan (zur Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge der geplanten Schließung) aufgenommen hätten.

Als die Betriebsparteien dann im weiteren Verlauf des Jahres zunächst keine Einigung erzielten, kündigte ein Arbeitnehmer seinen Vertrag zu Ende 2020 und trat anderswo eine neue Stelle an. Am 22.03.2021 wurde dann aber doch noch ein Sozialplan abgeschlossen. Dieser sah u.a. vor, dass Arbeitnehmer, die vor diesem Stichtag eine Eigenkündigung ausgesprochen haben, nicht in den Geltungsbereich fallen und damit keine Ansprüche auf Abfindung haben.

Dagegen klagte der Mann mit dem Argument, die entsprechende Stichtagsregelung im Sozialplan sei unwirksam und verletze den sog. betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Schließlich seien bei einer drohenden Betriebsschließung Beschäftigte, die selbst gekündigt oder einen vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag unterschrieben hätten genauso zu behandeln wie diejenigen, denen firmenseitig gekündigt werde.

Sozialplan-Abfindung kein Entgelt für in Vergangenheit erbrachte Dienste

Die Richter am LAG sahen das jedoch – wie schon die Vorinstanz – anders und wiesen die Klage zurück. Ausschlaggebend dafür war laut Urteil v.a. die Tatsache, dass der frühere Beschäftigte dem Betrieb zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans der Firma gar nicht mehr angehörte. Vielmehr mache er „Ansprüche aus einer Regelung geltend, welche erst nach seinem Ausscheiden abgeschlossen worden ist“. „Bereits dies“, so die Kammer, „steht seinem Anspruch entgegen“. Zudem sei das Arbeitsverhältnis in diesem Fall nicht infolge der „betriebsändernden Maßnahme“ selbst beendet worden, sondern durch „aktives Handeln“ des (früheren) Mitarbeiters – und zwar bevor die genauen Auswirkungen und etwaige Kompensationen feststanden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege daher „nicht vor“.

Hinzu komme, dass ein Sozialplan „in erster Linie eine zukunftsbezogene Überbrückungsfunktion“ wahrnehme und Abfindungen „kein Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste“ seien, heißt es in der Begründung weiter. Da der Mann aber bereits eine neue Stelle hatte, sei er damit „wirtschaftlich hinreichend abgesichert“.

Und auch insgesamt sei ein Ausschluss beendeter Arbeitsverhältnisse aus dem Anwendungsbereich des Sozialplans nicht zu beanstanden, da sich die Regelung „in den zulässigen Ermessensgrenzen der Betriebsparteien bei Abschluss derartiger Vereinbarungen“ bewege.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom 24.03.2023 (Az.: 4 Sa 74/22).

Vorinstanz: Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.02.2022 (Az.: 6 Ca 6185/21).

Know-how

Das Urteil deckt sich mit der Einschätzung anderer Gerichte: So hatte u.a. das LAG Köln seinerzeit entschieden, dass Mitarbeiter keinen Anspruch auf eine Sozialplan-Abfindung haben, wenn sie zu einem Zeitpunkt kündigen, zu dem das genaue Ausmaß einer Betriebsänderung noch gar nicht feststeht, da Betriebsrat und Firma noch verhandeln. Grund: Eine derartige Eigenkündigung gelte nicht als vom Arbeitgeber veranlasst (wir berichteten).

Beide Entscheidungen unterstreichen, dass es bei drohenden Betriebsschließungen nur in seltenen Fällen gelingt, nahtlos zeitnah eine neue Stelle anzutreten und vom scheidenden Arbeitgeber noch eine Abfindung aus einem Sozialplan mitzunehmen.

Wichtig: Anders sieht es ggf. aus, wenn im Sozialplan selbst eine sog. Sprinterprämie vereinbart ist, also ein Aufschlag auf die Sozialplanabfindung für den Fall, dass der betroffene Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aussteigt – und nicht erst bei Erreichen des eigentlichen Beendigungstermins.

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