Die Erzieherin und die Kita hatten sich Mitte Februar 2021 in einem Vorstellungsgespräch auf ein befristetes Arbeitsverhältnis bis Ende Juli 2022 geeinigt. Als die Frau den – bereits vom Arbeitgeber unterschriebenen – Vertrag am 27. Februar unterzeichnete, war ihr ihre Schwangerschaft bereits bekannt. Sie warf das Dokument am 28. Februar in den Briefkasten der Kita und informierte deren stellvertretende Leiterin am Morgen des 1. März telefonisch darüber – und über ihre Schwangerschaft.
Noch am selben Tag zog die Kita das Arbeitsangebot zurück und erklärte hilfsweise dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sie über ihre Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen. Gleichzeitig kündigte die Kita das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit. Am 16. März erhob die Erzieherin Klage gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses. Am 2. Oktober, nach der Entbindung, beanspruchte sie ein Jahr Elternzeit nach Ende des Mutterschutzes. Unter dem Strich arbeitete sie damit keinen einzigen Tag für die Kita.
Die Vorinstanzen haben der Klage der Erzieherin stattgegeben. Das BAG schloss sich dem an und wies die Revision der Kita schließlich als unzulässig zurück.
Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestand
Zur Begründung hieß es u.a., das Landesarbeitsgericht Hamm sei – u.a. unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 04.10.2001 – Rs. C-109/00) – zu dem Schluss gekommen, dass die Erzieherin nicht verpflichtet gewesen war, ihre Schwangerschaft bei Vertragsabschluss zu offenbaren. Zu dieser Zeit habe nicht unzweifelhaft festgestanden, dass sie während der gesamten Vertragslaufzeit nicht arbeiten werde. Denn angesichts “des voraussichtlichen Endes der Mutterschutzfrist Anfang Dezember 2021 und der Befristung bis zum 31. Juli 2022 bei Vertragsschluss habe die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bestanden”, so der Senat. Die Ungewissheit über die Durchführung des Arbeitsverhältnisses bei Vertragsschluss aber rechtfertige keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Auch den Einwand der Kita, das LAG-Urteil sei eine „Übergleichbehandlung“, ließ es der Senat nicht gelten. Zwar könne die Einrichtung argumentieren, es müsse einen Mittelweg geben, der schwangere Frauen schütze und gleichzeitig eine gesellschaftliche Stimmung schaffe, Frauen im gebärfähigen Alter bei Einstellungen vorurteilslos zu begegnen. Damit hat die Kita nach Auffassung des BAG aber keinen Rechtsfehler des LAG aufgezeigt, sondern lediglich eine aus ihrer Sicht “wünschenswerte rechtspolitische Forderung formuliert”.
Um Erfolg zu haben, bedürfe es hingegen “einer konkreten Auseinandersetzung mit der infrage gestellten Rechtsprechung und der Darlegung, weshalb diese vor dem Hintergrund der behaupteten gesellschaftlichen Veränderungen aus Sicht des Revisionsführers nicht mehr geeignet ist, das ursprünglich mit ihr verfolgte Ziel umzusetzen, und damit rechtsfehlerhaft geworden ist”. Daran fehle es hier.
Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 15.12.2022 (Az.: 6 AZR 102/22).
Vorinstanzen: Urteile des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26.01.2022 (Az.: 3 Sa 1087/31) und des ArbG Rheine vom 01.09.2021 (Az.: 3 Ca 333/21).