Ökonomen der Universität Duisburg-Essen haben den Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und der Ausnutzung von Bilanzierungs- und Steuergestaltungsspielräumen in deutschen börsennotierten Unternehmen zwischen 2006 und 2017 untersucht. Es zeigte sich, dass Unternehmen mit starker Mitbestimmung im Durchschnitt vier Prozentpunkte mehr Steuern auf den erwirtschafteten Gewinn zahlten. Andere wiesen zwar kurzfristig eine höhere Performanz auf, schnitten jedoch langfristig schlechter ab. Darüber hinaus reduzierten sich mit der Mitbestimmung auch juristische Risiken für Unternehmen: Denn die Gefahr für Sanktionen sei umso höher, je aggressiver Spielräume ausgenutzt werden.
Drittelbeteiligungslücke griff auch bei Wirecard
Wirecard musste das schmerzhaft erfahren. Der Zahlungsdienstleister verfügte bis zu seiner Insolvenz über keinerlei Mitbestimmung. Für ein Unternehmen seiner Größe sei aber gesetzlich vorgesehen, dass Arbeitnehmer ein Drittel der Mitglieder im Aufsichtsrat stellen, berichtet die Hans-Böckler-Stiftung. Eine Analyse von Jurist Dr. Sebastian Sick deutet jedoch darauf hin, dass hier die Arbeitnehmerbeteiligung über die sogenannte “Drittelbeteiligungslücke” unterlaufen wurde.
Sie entsteht, weil im Drittelbeteiligungsgesetz keine automatische Konzernzurechnung von Beschäftigten in Tochterunternehmen vorgesehen ist, so Sick. Gliedere sich ein Konzern in eine Holding und verschiedene Töchter auf, die jeweils maximal 500 Beschäftigte haben und nicht über formale “Beherrschungsverträge” miteinander verbunden sind, bleibe er ohne jede Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat. “Die Unternehmensleitung nutzte eine der Schwächen in den deutschen Mitbestimmungsgesetzen, die wir seit Jahren kritisieren.” Die Lücken in den Mitbestimmungsrechten wären seiner Auffassung nach mit geringem gesetzgeberischem Aufwand zu schließen.