Hat ein Arbeitgeber den Betriebsrat oder einzelne seiner Mitglieder bereits offiziell über eine geplante Teilbetriebsstilllegung informiert, ist der avisierte interessenausgleichspflichtige Personalabbau „kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 79 BetrVG“. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen kürzlich entschieden. Entsprechend ist es auch keine grobe Pflichtverletzung, die einen Ausschluss rechtfertigen würde, wenn ein Gremiumsmitglied schon im Vorfeld einer möglichen gemeinsamen Betriebsratssitzung gemäß § 31 BetrVG die Gewerkschaft über die Maßnahme informiert (Az.: 16 TaBV 12/17).

Im Streitfall ging es um ein Betriebsratsmitglied, das als einziges im fünfköpfigen Gremium gewerkschaftlich organisiert war und der in einem Außenlager eines Unternehmens der chemischen Industrie arbeitete. Nachdem die Geschäftsleitung im März 2016 den Betriebsratsvorsitzenden und ein anderes Mitglied darüber informiert hatte, dass sie die Produktion bestimmter Kunststoffe einzustellen und entsprechende Abteilungen zu schließen beabsichtigt, besuchte einer der Informierten seinen Betriebsratskollegen am Außenstandort, um diesen über die Maßnahme ins Bilde zu setzen. Zugleich bat er ihn laut LAG auf Wunsch des Arbeitgebers um absolutes Stillschweigen.

Kontakt zur Gewerkschaft…

Der Mann aber kontaktierte die Gewerkschaft, um dort im Vorfeld einer anstehenden Betriebsratssitzung Rechtsrat und eine Einschätzung einzuholen. Geschäftsleitung und auch die Mehrheit des Betriebsrates waren darüber erbost und verlangten daher wegen Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht gerichtlich den Ausschluss des Mitglieds gemäß § 23 BetrVG.

Während sie damit erstinstanzlich Erfolg hatten, verwarf das LAG diese Rechtsaufassung. Zur Begründung hieß es u.a., eine „nach §§ 111,112 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme als solche genießt keinen Geheimschutz“. Daher müsse ein Betriebsrat auch „nicht vom Beginn der Unterrichtung im Sinne des § 111 Abs. 1 S. 1 BetrVG bis zum Ende von Interessenausgleichsverhandlungen schweigen“.

Zudem, so die Richter weiter, war das inkriminierte Betriebsratsmitglied eben „nicht gehalten, das in § 31 BetrVG vorgesehene Verfahren auf Teilnahme eines Gewerkschaftsvertreters an den Betriebsratssitzungen einzuhalten“. Er stand ihm vielmehr zu, „sich auf die bevorstehende Betriebsratssitzung angemessen vorzubereiten, wozu auch die Einholung von Rechtsrat der Gewerkschaft gehörte“. Schließlich sei die Art der Vorbereitung auf eine Sitzung „eine Frage des Einzelfalles und liegen im pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Betriebsratsmitglieds“.

…keine Pflichtverletzung

Laut LAG verfängt der Vorwurf der groben Pflichtverletzung gegenüber dem Mann überdies auch schon von daher nicht, da „es ihm gerade nicht um eine Information der Öffentlichkeit oder der Belegschaft, etwa um politischen Druck auf den Arbeitgeber oder die Betriebsratsmehrheit aufzubauen“, gegangen sei. Er habe vielmehr „in verantwortungsbewusster Wahrnehmung seines Betriebsratsamts“ gehandelt.

Ein Ausschluss komme daher nicht in Frage.

Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 20.03.2017 (Az.: 16 TaBV 12/17).

Praxistipp:

Unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit der Begriff Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auszulegen ist, sind zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keine Seltenheit. Der Fall zeigt anschaulich, dass Personalabteilungen und Geschäftsführung die Arbeitnehmervertreter mitunter zum Stillschweigen über Informationen anhalten wollen, die laut Rechtsprechung eigentlich gar nicht geheimhaltungspflichtig sind. Eine Angelegenheit ist aber i.d.R. nur unter folgenden Voraussetzungen geheimhaltungspflichtig:

  • Es muss sich objektiv um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handeln (materielles Geheimnis), wie z.B. Patente, Herstellungsverfahren, Versuchsprotokolle, Kundenlisten, Kalkulationsunterlagen, Liquiditätskennzahlen des Unternehmens.
  • Der Unternehmer muss es – mündlich oder schriftlich – ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet haben (formelles Geheimnis) und zwar mindestens gegenüber dem Vorsitzenden des Betriebsrats (oder im Fall seiner Verhinderung dessen Stellvertreter).

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